■ Rumänien: Ministerpräsident Victor Ciorbea tritt resigniert zurück: Das frühe Ende eines Aufbruchs
Vom gründlichen Wandel zum oberflächlichen Wechsel. So könnte die Geschichte heißen, die den Rücktritt des rumänischen Ministerpräsidenten Victor Ciorbea erzählt. Gerade fünfzehn Monate hat es gedauert, bis er zurücktrat – fünfzehn Monate, in denen sich die Hoffnung auf einen Wandel Rumäniens schmerzvoll zerschlagen hat.
Als Rumäniens demokratische Opposition im Herbst 1996 die Wahlen gewann, verband sich dieser Sieg vor allem mit einer Losung: der Losung von einem anderen Stil des Regierens. Victor Ciorbea vertrat dieses andere – nicht nur in seinem Denken, sondern mit seiner ganzen Person. Er machte wie wenige andere Politiker in der rumänischen Geschichte den Eindruck eines aufrichtigen, geradezu selbstlosen Politikers. Seine Entschlossenheit zu demokratischen und wirtschaftlichen Reformen klang glaubwürdig, weil er selbst daran glaubte.
Der Eindruck, den er erweckte, als er am Montag abend seinen Rücktritt bekanntgab, war der eines totalen Scheiterns – nicht nur eines persönlichen, sondern auch eines symbolischen. Fünfzehn Monate nach seinem Regierungsantritt ist der symbolische Schlußpunkt gesetzt: einen anderen, neuen Stil des Regierens wird es vorerst nicht geben.
Radikale Reformen – die notwendige wirtschaftliche Spar- und Privatisierungspolitik, der Kampf gegen Wirtschaftskriminalität und Korruption, die Demokratisierung von Armee und Geheimdiensten, die Aufarbeitung der Vergangenheit – all diese Versprechen wurden bisher kaum oder gar nicht durchgesetzt. Und sie werden auch in Zukunft höchstens viertelweise durchgesetzt werden. Oder auch gar nicht: wenn sie nämlich mit den persönlichen Interessen der rumänischen Politiker-Oligarchien kollidieren. Das Interesse dieser Politiker-Oligarchien ist nicht – oder jedenfalls nicht in erster Linie – eine Integration in europäische und euroatlantische Strukturen, wie täglich zu hören ist. Die Interessen reichen vielmehr vom Unterbringen selbst noch entfernter Verwandter auf lukrativen Posten bis hin zum großangelegten Diebstahl von Staatsvermögen, vom Vertuschen der Securitate- Vergangenheit bis hin zur Erhaltung antidemokratischer undurchsichtiger Staatsstrukturen. Und daran wird in naher Zukunft auch jeder neue Victor Ciorbea scheitern. Keno Verseck
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