: Ruhmlose Vergangenheit
■ Politikum Straßennamen: Das Mobile Museum der Geschichtswerkstatt
In der Manfred-von-Richthofen-Straße, die, wenn die Pläne von 1945 umgesetzt worden wären, heute Mühsamstraße hieße, steht das „Mobile Museum“. In diesem ausgedienten BVG-Bus kann man den zweiten Teil des Ausstellungszyklus zur Geschichte der Berliner Straßennamen ansehen.
In Berlin wie sonst nirgendwo in Deutschland finden sich bis heute im Straßenbild so viele Elemente ruhmloser deutscher Vergangenheit: Monarchismus, Militarismus, Kolonialismus, Antisemitismus...
Die „Fliegersiedlung“ in Neutempelhof ist ein Paradebeispiel für immer noch nicht bewältigte Vergangenheit. In der etwas verschlafenen Gartenstadt aus schlichten Einfamilienhäusern ehrten die Nazis am 21. August 1936, dem „Tag der Luftwaffe“, 16 Soldaten, die sich dadurch einen Namen gemacht hatten, daß sie im Luftkampf gegen die Gegner des deutschen Kaiserreiches besonders viele dieser Gegner vom Leben zum Tode befördert hatten.
Der mit 81 Abschüssen „erfolgreichste deutsche Jagdflieger“, Rittmeister von Richthofen, war schließlich selbst Opfer der Luftmetzeleien geworden und wurde wie die anderen toten „Helden“ mit einer Straße geehrt. Das war übrigens eine Idee vom „Reichsminister der Luftfahrt“, „Oberbefehlshaber der Luftwaffe“ und „Reichsjägermeister“, Hermann Göring, der Nachfolger von Richthofens als Staffelführer war. Besonders stolz waren die Nazis auf den Leutnant der Reserve, Werner Voß (48 Abschüsse), da er sein Flugzeug im Vorgriff auf spätere Zeiten mit einem Hakenkreuz verziert hatte. Ob das die Leute wissen, die heute im Werner -Voß-Damm wohnen?
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges waren für das „Fliegerviertel“ neue Straßennamen vorgesehen. Mit dem Schwung der neuen Zeit sollten die „Fliegerhelden“ durch pazifistische Schriftstellerinnen und Schriftsteller ersetzt werden. So sollten Erich Mühsam, Ernst Toller, Bertha von Suttner, Paul Scheerbart, Joachim Ringelnatz, Lily Braun und andere zu Ehren kommen. Die Pläne blieben jedoch im bürokratischen Gestrüpp und infolge des Kalten-Kriegs-Klimas in den Jahren 1947/48 hängen, wie die meisten der etwa 1.600 Namensänderungsvorschläge für ganz Berlin.
Die Namen dieser Radikalpazifisten paßten wohl nicht mehr ins politische Konzept. So zieren immer noch die Namen der von den Nazis geehrten kaiserlich-deutschen Fliegeroffiziere die Straßenschilder in Neutempelhof.
Jürgen Karwelat
Die Ausstellung ist noch bis zum 7.8. geöffnet, Mo-Fr 15 -19 Uhr, Sa und So 11-17 Uhr. Der Bus steht in der Manfred -von-Richthofenstr./Ecke Platz der Luftbrücke.
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