Ruhe vor den Jungen

SOZIALES Im neuen Mädchenzentrum in Gröpelingen sollen Mädchen einen Freiraum finden, einen Ort um allein zu sein, zum Kreativsein oder Reden

„Frauen brauchen nicht nur Schutzräume, sondern auch Freiräume“

HEIKE OHLEBUSCH, MÄDCHENHAUS-GESCHÄFTSFÜHRERIN

Seit ein paar Tagen gibt es in Gröpelingen eine neues Zentrum nur für Mädchen. Jungen Frauen ab 12 bietet die Einrichtung in der Schweidnitzer Straße 13 einen Ort für ihre Kunst, für Breakdance- oder Selbstverteidigungs-Kurse. Vor allem aber sollen sie auch Ruhe finden können, vor den Jungen in ihrem Alter.

Das zumindest fehlte vielen der „Shopping-Girls“ des Stadtteils, wie Britta Claassen-Hornig die Mädchen nennt, weil sie sich im Alter der Pubertät eher im Einkaufszentren trafen. Claassen-Hornig leitet das Referat für junge Menschen des Amts für Soziale Dienste in Gröpelingen. Es sei „ein sehr bunter, lebendiger Stadtteil, für die es eine Balance des Miteinanders braucht“. 2009 war es auch ihre Aufgabe, das Stadtteilkonzept neu aufzulegen. Sie fragte bei denen nach, um die es geht. Was den Schülerinnen fehlte, war schnell ausgemacht: „Ein Ort, den Mädchen nur für sich haben“, sagten viele. Claassen-Hornig setzte es um.

Träger des neuen Zentrums ist der Verein des Mädchenhauses. Seit 1992 bietet die Jugendhilfeeinrichtung jungen Frauen Hilfe und Schutz bei Vernachlässigung, Gewalt oder Missbrauch. Aber: „Frauen brauchen nicht nur Schutzräume, sondern auch Freiräume“, so Mädchenhaus-Geschäftsführerin Heike Ohlebusch über die Motivation, sich nun in Gröpelingen pädagogisches zu engagieren.

Die Räume dort zu finden, war nicht einfach. „Ein neutraler Ort“ sollte es sein, so Claassen-Hornig. Nicht direkt neben der Moschee, einer Teestube oder Spielhalle gelegen, sondern „an einer Stelle mit weniger sozialer Kontrolle“. Das Mädchenzentrum liegt nun gut erreichbar, in einer Seitenstraße, mitten im Lindenhofquartier.

Eine feministische, also parteiische Mädchenarbeit soll hier stattfinden, das Selbstbewusstsein gestärkt und Rollenbilder hinterfragt werden. Dass ein solcher Ansatz in konservativ-religiösen Familien auf Ablehnung stößt, das „könne passieren“, sagt Heike Ohlebusch. Aber die Psychologin Caterina Bartulin und die Sozialarbeiterin Ina Bernard sind sehr zuversichtlich. Die beiden leiten die Arbeit im neuen Haus. „Wir wollen auf die Eltern zugehen und Ängste abbauen“, so Bartulin. Es bestehen bereits Kooperationen mit der benachbarten Fatih-Moschee, der Oberschule im Park und der Johann-Heinrich-Pestalozzi-Schule. Seit über einem Jahr sind Bartulin und Bernard schon in Gröpelingen unterwegs, lernen selbst den Stadtteil kennen, scharen Mädchen um sich und knüpfen Kontakte.  JPB