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Rugby für AnfängerDie ganze Insel siegt

Irlands Rugby-Auswahl gewinnt das Six-Nations-Turnier. Und durch den Sieg über England sichert es sich noch den inoffiziellen Grand Slam.

On top: Irlands Ryan Baird fängt den Ball Foto: Action Plus/imago

Zehn Minuten vor Schluss begannen die Fans im Dubliner Aviva-Stadion, „The Fields Of Athenry“ zu singen. Das kennt man aus dem Fußball, aber am Samstag ging es um Rugby. Hier sind die Iren die Nummer 1 der Weltrangliste. Da gewannen sie das Six-Nations-Turnier und außerdem den inoffiziellen Grand Slam, weil sie alle fünf Gegner besiegt haben.

Am Ende stand es 29:16 – gegen England! Und das am St.-Patrick’s-Wochenende, an dem der Alkoholpegel auf der Insel ohnehin ins Unermessliche steigt! Sowohl das Turnier als auch die Parade zu Ehren des Heiligen wurde von Guinness, dem Hersteller des Nationalgesöffs, gesponsert. Offenbar hatten Irlands Spieler am Freitag, dem St. Patrick’s Day, ausgiebig gefeiert, denn am nächsten Tag war von der Leichtigkeit der vorangegangenen Spiele nichts zu sehen.

Es wurde auch nicht viel besser, als kurz vor der Halbzeitpause der Engländer Freddie Steward vom Platz gestellt wurde, weil er den Iren Hugo Keenan mit dem Ellenbogen im Gesicht getroffen hatte. Das ist verboten, was mich überraschte, denn so, wie sich die Spieler sonst in die Mangel nehmen, scheint ein Ellenbogen-Stoß durchaus angemessen.

Angeblich ist Rugby aber eine höfliche Angelegenheit. „Der Respekt vor dem Gegner und vor dem Schiedsrichter ist unglaublich hoch“, sagte Denis Frank, ehemaliger Rugby-Spieler, in einem Interview. „Jürgen Klopps Auftritte an der Seitenlinie wären im Rugby undenkbar.“ Beim Rugby darf nur der Kapitän mit dem Schiedsrichter sprechen, während beim Fußball selbst die Balljungen verbal über den Unparteiischen herfallen.

Seltenes Glücksgefühl

Eigentlich interessiere ich mich nicht für Rugby. Aber es hilft nichts, man muss sich informieren, sonst fühlt man sich zurzeit in Irland ausgeschlossen. So fieberte ich mit, als England zwischenzeitlich bedrohlich aufkam. Nach dem Schlusspfiff war die ganze Insel – anders als im Fußball gibt es im Rugby eine gesamtirische Mannschaft – aus dem Häuschen, weil man im Sport selten gewinnt. Dan Sheehan, dem die beiden entscheidenden Versuche à 5 Punkte gelungen waren, sagte: „Ein Grand Slam ist etwas ganz Besonderes für das ganze Land!“

Neben der WM ist das Six-Nations-Turnier das prestigeträchtigste Event im internationalen Rugby. Die Spiele wurden seit Anfang Februar an insgesamt fünf Wochenenden ausgetragen. Manche Teams hatten zwei, andere drei Heimspiele. Im nächsten Jahr wird getauscht. Das Turnier geht auf das Jahr 1883 zurück, als das „Home Nations Championship“ mit England, Wales, Schottland und Irland zum ersten Mal ausgetragen wurde. Seit 1910 ist auch Frankreich dabei, Italien kam 2000 dazu.

Die Sportart soll 1823 von einem William Webb Ellis am Internat der englischen Kleinstadt Rugby erfunden worden sein. Es war von Anfang an eine Sache der Mittelschicht, und auch Che Guevara begeisterte sich dafür, denn er gehörte als junger Mann der anglisierten Mittelschicht in Argentinien an. In seinen Adern „floss das Blut irischer Rebellen“, sagte sein Vater, dessen Mutter aus Irland stammte.

Auch Mack Hansen, ein Australier, hat irische Vorfahren, weshalb er für die Grüne Insel spielen darf. Er ist einer der Stars, seit ihm neulich ein paar „Turnovers“ gelangen. Darunter versteht man in Irland eigentlich einen gefüllten Eierteig. Ist der Ball beim Rugby deshalb eiförmig? Offiziell heißt das Spielgerät Rotationsellipsoid. Hansen steigerte seine Beliebtheit noch, als er über den Gegner sagte: „Ich glaube, jeder hasst England, das war mir schon in meiner Kindheit in Australien bewusst.“

Für Ahnungslose wie mich sind die Rugby-Regeln recht undurchsichtig. „Ein Vorpass ist ein illegaler Pass nach vorne zu einem Mitspieler“, so steht es in den Spielregeln. „Er wird mit einem Gedränge bestraft.“ Wird der Schurke samstags zu Ikea geschickt? „Der Angreifer muss den Ball zwischen die Malstangen über die Querlinie schießen, um für einen Dropkick, einen Straftritt oder eine Erhöhung Punkte gutgeschrieben zu bekommen.“ Hä?

Hauptsache, die irischen Spieler haben die Regeln kapiert und der Nation einen Anlass für ein kollektives Besäufnis beschert. Im September will man wieder feiern. Dann findet die Weltmeisterschaft in Frankreich statt.

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1 Kommentar

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  • Rugby ist eine feine Sportart - wenn man die Regeln mal verstanden hat. Aber manches erschliesst sich auch beim Zusehen.



    Deutschland ist leider - zum Glück ? - Entwicklungsland, vielleicht auch wegen so Typen wie Jürgen Klopp. Wer nach einer Partie Rugby Fussballbundesliga schaut, ist angeekelt und versteht nicht, warum der Schiri sich das bieten lässt. Der TMO (Kölner Keller für Deutsche) ist hervorragend aufgestellt und Schiri, TMO und Linienrichter beraten bei Verstössen über das ob und über das Strafmass.



    Die Rote Karte gegen den Engländer war zwar hart, aber analog zur Regel. Der Spieler sagt zwar "Please" zum Schiri (es war ein durchaus unbeabsichtigtes Vergehen) aber nicht mehr und akzeptiert die Strafe und wird auch noch vom Gegner getröstet.



    Dass Irland nun die SixNations gewonnen hat und auch die WM gewinnen könnte, freut den geneigten Iro-Philen und Rugy-Liebenden. Nicht immer nur England, Neuseeland oder Südafrika.



    Irland hat vielleicht die Leichtigkeit gefehlt, aber sie sind auf vielen Positionen sehr gut besetzt und haben mit Johnny Sexton den vielleicht besten Kapitän weltweit.