Rüstungskonzern vor Teilverstaatlichung: Daimler will EADS-Anteile loswerden
Daimler steigt aus dem deutsch-französischem Konzern EADS aus – obwohl Experten auch in Zukunft gute Geschäfte erwarten. Warum macht Daimler das überhaupt?
HAMBURG taz | Beim europäischen Flugzeugbauer und großen Rüstungsproduzenten EADS zeichnet sich ein Eigentümerwechsel ab. Daimler will sich von seiner 15-prozentigen Beteiligung trennen. Als Käufer kommt EADS selber in Frage oder die Bundesregierung.
Am morgigen Mittwoch will CDU-Kanzlerin Angela Merkel auf einem Gipfeltreffen mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Außenminister Guido Westerwelle und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (beide FDP) klären, ob der Staat die EADS-Anteile von Daimler kaufen soll, um den deutschen Einfluss zu erhalten. Der Rüstungskonzern EADS ist ein Erfolgsmodell, auch zivil. Mit dem Verkauf von 510 Flugzeugen verzeichnete der Konzern 2010 einen neuen Rekord und übertrumpfte erneut den US-Konkurrenten Boeing.
Experten sehen auch in Zukunft gute Geschäfte. Der im Januar bekannt gegebene Großauftrag der indischen Fluggesellschaft Indigo über 16 Milliarden US-Dollar ist eine der größten Einzelbestellungen in der zivilen Luftfahrt. Und Indigo ist kein Einzelfall. Analyst Heino Hammann von der NordLB sagt: "Insbesondere die Auftragslage hat sich außerordentlich stark verbessert, sodass die Produktion bei Airbus für die nächsten sechs Jahre ausgelastet ist." Hammann empfiehlt Anlegern: "Kaufen".
Warum will Daimler dann raus? Daimler ist branchenfremd und EADS ist seit Gründung im Jahre 2000 ein Spielball politischer Interessen. Zum einen gilt das paneuropäische Unternehmen in der Politik als Vorzeigemodell, wie die EU der Globalisierung durch eine Industriepolitik trotzen kann. Zum anderen geht es um Sicherheitsinteressen, schließlich rüstet EADS viele Armeen mit Kampfjets, Helikoptern und Hochgeschwindigkeitstorpedos aus. Solche übergeordneten Interessen führen aber dazu, dass die Renditen weniger hoch sind, als es private Investoren wünschen.
Für den deutschen Staat, der schon am militärischen Vorgänger MBB beteiligt war, könnte ein Aktienkauf zum guten Geschäft werden. Der einzige relevante Nebenbuhler ist Boeing. Auf lange Sicht garantiert dieses Duopol auf dem Weltmarkt die Nachfrage bei EADS. Die Kunden - zivile Fluggesellschaft und Militärs - wollen weder Boeing noch EADS zu groß werden lassen. Sie wollen auch keinen abstürzen sehen, um ein Monopol zu verhindern.
Schon vor einiger Zeit hatte Daimler 7,5 Prozent des Luft-, Raumfahrt- und Rüstungskonzerns an ein Bankenkonsortium verkauft. Doch weiterhin verfügt Daimler - so wurde es von allen Beteiligten festgelegt - verfügt über rund 25 Prozent der Stimmrechte. Das sind ebenso viel Stimmen, wie die französische Seite hat, neben dem Medienkonzern Lagardère (7,5 Prozent) gehören der französischen Regierung 15 Prozent der EADS-Anteile. Die Daimler-Anteile zu kaufen, ist aber kein billiges Unterfangen. Rechnerisch könnte Daimler der Verkauf allein von drei Prozentpunkten seiner Aktien derzeit schon gut eine Milliarde Euro einbringen.
Gegen dieses Geschäft, das einer Teilverstaatlichung gleichkommt, könnte sich am morgigen Mittwoch allerdings die FDP stemmen, aus Prinzip. Sie will weniger Staat in der Wirtschaft. Ein Aktienteilrückkauf durch EADS wäre ein Kompromiss. Daimler müsste dann bei EADS weiterhin die deutsche Seite vertreten.
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