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Rüstungskonversion von unten „erlebbar“ machen

■ Gespräch mit Petra Opitz vom Berliner Institut für Regionale Konversion über die Schwierigkeiten, die Abrüstung den Ministerialbürokratien aus den Händen zu nehmen INTERVIEW

Im Juni dieses Jahres gründeten 15 Wissenschaftler der Ost-Berliner Akademie der Wissenschaften und Armeeangehörige das Institut für Regionale Konversion. Ausgangspunkt war die Sammlung von Daten über den wirtschaftlichen Zustand der Rüstungszulieferbetriebe und die Situation der NVA im Bereich Berlin/Potsdam. Auf der Basis dieses Materials will das Institut Beratungsangebote an die Hand geben, wie eine Rückführung in zivile Wirtschaftsformen möglich sein könnte.

Petra Opitz, Wirtschaftswissenschaftlerin, beschäftigt sich schon seit 1980 mit Abrüstungsökonomie in Osteuropa.

taz: Was bedeutet der Begriff Konversion für Sie?

Petra Opitz: Konversion ist nicht allein als Umstellung einer militärischen Produktion auf eine zivile zu betrachten. Das Problem ist komplexer. Nach meiner Auffassung geht es um eine generelle Umwidmung, die Demilitarisierung der gesamten Gesellschaft. Neben wirtschaftlicher Umwandlung gehören dazu auch die ökologischen Hinterlassenschaften — ich denke etwa an vergiftete Manövergebiete — sowie die sozialen Anforderungen, also Umschulungsmaßnahmen für Angehörige des Militärbereichs.

An welchen Stellen setzt denn Ihr Institut mit seiner Arbeit an?

Konversion kann sinnvoll nur mit den Menschen betrieben werden, die davon betroffen sind. Also von unten her, aus den Regionen, aus den Kommunen heraus, wo alle Auswirkungen — ökonomische, ökologische, soziale — aufeinandertreffen.

Konversion muß ein erlebbarer Prozeß sein, wenn er den Gedanken einer Entmilitarisierung langfristig fördern soll. Und das geht nicht, wenn alles nur Planspiel irgendeines Ministeriums bleibt.

Sie sind damit beschäftigt, Betriebe, die Rüstungsgüter produzierten, zu „durchleuchten“ (siehe Reportage auf dieser Seite); ebenso sprechen Sie mit Armeeangehörigen. Wie machen Sie Ihre Forschungsergebnisse nutzbar?

Wir haben das Ziel, Kommunen, Bürgerbewegungen und Parteien eine Handlungshilfe zu geben. Wir sind kein rein wissenschaftliches Institut. Eigentlich streben wir an, eine Art Beratungszentrum zu werden, in doppelter Hinsicht, um sowohl den politisch Verantwortlichen als auch den Betroffenen Know-how und Rückendeckung zu geben.

Wie sieht denn die Zukunft des Instituts aus?

Wir hoffen, unser Institut in einen gemeinnützigen Verein umwandeln zu können, um dann auch Unterstützung von staatlicher Seite zu bekommen. Momentan arbeiten wir alle quasi ehrenamtlich in unserer Freizeit. Natürlich wollen wir auch Schulungsseminare anbieten, gegen Bezahlung selbstverständlich.

Und wir möchten einen wissenschaftlichen Beirat gründen — zum Beispiel mit Uli Albrecht, dem Berater von Ex-DDR-Außenminister Meckel, oder Pfarrer Friedrich Schorlemmer.

Ist es nicht ein hoffnungsloses Unterfangen, momentan in der DDR über Konversion von unten zu reden, wo doch mit dem Bankrott etlicher Betriebe und den Massenentlassungen bei der NVA das Problem fast erledigt scheint?

Natürlich, der „Fall DDR“ wird niemanden verleiten, herauszuschreien, wie wunderbar Abrüstung ist. Eine Gesellschaft betreibt scheinbar die totale Konversion. Aber der positive Effekt dabei, also die sichtbare und erfahrbare Umwandlung, geht flöten. Trotzdem glaube ich, daß künftig genug Aufgaben existieren — ich denke an die Armeeangehörigen oder ökologische Altlasten —, welche die Konversion auf die Tagesordnung setzen. Interview: Brink/Worm

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