: Rühe im Regen
■ Kabinett dementiert Termin für Somalia-Rückzug der Bundeswehr
Berlin (AP/AFP/dpa) – Jetzt ist wieder alles offfen: Noch steht nicht fest, wann die deutschen Truppen aus Somalia abgezogen werden sollen. Regierungssprecher Dieter Vogel teilte gestern nach einer Sitzung des Bundeskabinetts in Bonn mit, der Rückzug der Bundeswehr aus dem afrikanischen Land werde von weiteren Beschlüssen der Vereinten Nationen über ihr künftiges Vorgehen abhängen. Damit sei in den nächsten Wochen zu rechnen, da das UN-Mandat für Somalia im Oktober auslaufe. Der Kabinettsbeschluß steht im Widerspruch zu einer Erklärung von Verteidigungsminister Volker Rühe, der den April 1994 als Termin für den Abzug der Deutschen genannt hatte.
Die Entwicklung läßt auf Unstimmigkeiten zwischen Volker Rühe und Bundesaußenminister Klaus Kinkel schließen. Kinkel hat im Kabinett betont, daß der deutsche Abzug aus Somalia nur in Übereinstimmung mit der UNO erfolgen könne, weil die Bundeswehr im Auftrag der Weltorganisation dorthin entsandt worden sei. In Regierungskreisen hieß es, Rühes Äußerungen hätten beim Außenminister „Irritationen“ ausgelöst, da dieser ohne Absprache innerhalb der Regierung „vorgeprescht“ sei.
UN-Sprecher haben unterdessen mitgeteilt, daß der Generalsekretär der Vereinten Nationen Butros Butros-Ghali im Rahmen seiner Afrika-Reise nun endgültig auch eine Visite in Somalia plant. Möglicherweise wird er sich bereits morgen dorthin begeben. Damit setzt sich Butros Ghali über Wünsche der USA hinweg, die ihn vor einem Besuch gewarnt hatten, da Anhänger des somalischen Milizenchefs Farrah Aidid für den Fall einer Visite Butros Ghalis mit Demonstrationen gedroht hatten.
Der Kurswechsel der US-amerikanischen Somalia-Politik hatte zu Verstimmungen zwischen der UNO-Spitze und der Regierung in Washington geführt. Das Weiße Haus will mittlerweile auch die Fraktion von Aidid in Verhandlungen einbeziehen. UN-Repräsentanten haben sich bisher jedoch geweigert, die Jagd auf den Milizenchef offiziell für beendet zu erklären.
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