Rückzug: Ryanair macht die Fliege
Der Billigfluganbieter streicht drei Linien von und nach Lübeck - ein weiterer Schlag für den Flughafen Blankensee, der seit Jahren ein Minus schreibt. Im April soll ein Bürgerentscheid über die Zukunft abstimmen.
Der Lübecker Flughafen Blankensee ist weiter auf Trudelflug: Der Billigflieger Ryanair, wichtigster Kunde des finanziell schwer angeschlagenen Regionalflughafens, will drei seiner Linien streichen. Betroffen sind auch die Verbindungen nach Dublin und Hahn bei Frankfurt, die erste innerdeutsche Linie, die Ryanair in Lübeck eingerichtet hatte. Als Grund wurden die schlechten Passagierzahlen genannt.
"Das ist nicht das Ende der Fahnenstange", sagte Flughafen-Geschäftsführer Michael Lange gestern auf taz-Anfrage. Der Flughafen sei ja mindestens bis Oktober geöffnet, bis dahin bestünde die Chance, die Zahlen zu verbessern - "und dann werden wir wieder mit Ryanair reden". Als Grund für die schlechten Zahlen nannte er die öffentlichen Debatten um den Flughafen. Viele Passagiere seien verunsichert: Aufgrund des monatelangen Tauziehens um den Flughafen wüsste "viele nicht, ob sie in zwei Wochen noch landen können, wenn sie von hier aus in den Urlaub starten", sagt Lange. Daher würden viele Reisende auf andere Flughäfen ausweichen.
Dabei hatte der Flughafen selbst gerade aktuelle Daten veröffentlicht, laut denen die Zahl der Passagiere im Januar gestiegen sei: 33.720 Reisende seien abgefertigt worden, knapp drei Prozent mehr als im selben Monat vor einem Jahr. Lange erklärte, bei den nun von Schließung betroffenen Strecken seien aber "die Erwartungen nicht so eingetroffen wie erhofft". Er bedauere die Entscheidung von Ryanair, verstehe sie aber.
Der Regionalflughafen Blankensee liegt acht Kilometer vom Stadtkern Lübecks entfernt.
1958 gegründet, gehört die Flughafen Lübeck GmbH momentan zu 100 Prozent der Stadt.
18.202 Flugbewegungen konnte der Regionalflughafen im Jahr 2009 verzeichnen, 2001 waren es noch 29.318.
697.559 Passagiere flogen im Jahr 2009 von und nach Lübeck
Ryanair ist seit über neun Jahren Hauptkunde des Flughafens.
Zehn Verbindungen (vorher waren es 13) bietet die Billig-Fluggesellschaft von Lübeck aus an.
Sichergestellt sei, dass "über den März 2010 hinaus", Flüge von und nach Lübeck gebucht werden können.
Die innerdeutsche Verbindung gen Frankfurt sei "eine Anerkennung für Lübeck" gewesen - der Flughafen hatte sich die Anbindung ans Drehkreuz gewünscht. Doch es fehlte an Passagieren, genau wie bei der dritten Verbindung nach Alghero auf Sardinien, die kaum ein Jahr lang aufrecht erhalten wurde. "Richtig schmerzhaft ist der Verlust von Dublin", sagte Lange. 2006 hatte es täglich einen Flug nach Irland gegeben. Laut Lübecker Nachrichten wurde ein Teil bereits nach Bremen umgeleitet, nun wandern auch noch die übrigen dorthin ab. Der Bremer "City-Airport" hat ein eigenes Ryanair-Terminal.
Lange konnte den Anteil der Dublin-Flüge am Gesamtgeschäft nicht nennen, sprach aber von einer "spürbaren" Einbuße. Klar ist, dass ein deutlicher Zuwachs an Passagieren - der benötigt würde, um den Betrieb näher an die schwarzen Zahlen zu führen - nun nicht zu erreichen sein wird.
Der Teil-Rückzug von Ryanair, der mit dem Sommerflugplan gültig wird, ist ein weiterer Schlag für den Flughafen Lübeck-Blankensee, der seit Jahren ein Minus schreibt. Nach dem Rückzug eines privaten Investors trägt die Hansestadt die Kosten zurzeit allein. Die Lübecker Bürgerschaft hatte sich - mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linken - für die Schließung ausgesprochen, falls sich kein privater Investor findet, während Lübecks Bürgermeister Bernd Saxe (SPD) den Betrieb aufrechterhalten will.
Zurzeit läuft ein Bürgerbegehren pro Blankensee - die Befürworter sammelten dafür deutlich mehr als genug Unterschriften. Die Abstimmung über die Zukunft des Flughafens soll am 25. April stattfinden. Es geht dann um die Frage, ob die Stadt Blankensee auch ohne privaten Investor weiter betreiben und das Gelände ausbauen soll.
Voraussichtlich am 25. April können die LübeckerInnen über die Frage abstimmen, ob die Stadt den Flughafen Blankensee auch ohne privaten Investor in Eigenregie ausbauen und bis Ende 2012 betreiben soll. Die Suche nach einem Investor sei aber weiterhin in Gange, so der Flughafengeschäftsführer. Auch Entlassungen seien zurzeit nicht geplant. Der Flugbetrieb wird mindestens bis Oktober aufrechterhalten, hatte die Bürgerschaft entschieden.
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