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Rücktritte von CDU-MinisterpräsidentenMerkels verlorene Jungs

Mit Ole von Beust ist bereits der sechste CDU-Ministerpräsident in dieser Legislaturperiode zurückgetreten. Nach und nach gehen Angela Merkel die Stützen der Union verloren.

Merkel bald allein zuhause? Einige der mächtigsten Politiker gaben in letzter Zeit ihr Amt auf. Bild: apn

BERLIN taz | Rückzug aus Amtsmüdigkeit - was lange eine Ausnahme in der Politik war, ist in den vergangenen Monaten zumindest unter CDU-Ministerpräsidenten zur Normalität geworden. Mit dem Rücktritt des Ersten Hamburger Bürgermeisters Ole von Beust verliert Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits ihren sechsten Ministerpräsidenten in nur neun Monaten schwarz-gelber Regierungszeit.

In den vergangenen Wochen haben dabei die hinter Merkel politisch mächtigsten Politiker ihr Amt aufgegeben - oder aufgeben müssen. Im Mai kündigte der Hesse Roland Koch völlig überraschend seinen Rückzug aus der Politik an, kurz darauf wurde der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff zum Bundespräsidenten gewählt, und der Nordrhein-Westfale Jürgen Rüttgers musste in Düsseldorf einer rot-grünen Minderheitsregierung weichen. Zuvor wechselte der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger in die EU-Kommission und der Thüringer Dieter Althaus trat in Thüringen zurück. Und selbst Bundespräsident Horst Köhler zog sich zurück - weil er sich unangemessen kritisiert fühlte. Und von seiner Koalition zu wenig gestützt. Von "personeller Verarmung" in der Union sprach am Sonntagabend der Politikwissenschaftler Gerd Languth mit Blick auf die zahlreichen Wechsel. "Ole von Beust war zudem der Eisbrecher für Schwarz-Grün", sagte Languth in einem Interview auf dem Fernsehsender Phoenix.

Kanzlerin Merkel dürfte die hohe Fluktuation unter ihren Spitzenkräften mit gemischten Gefühlen betrachten. Zwar sind unter den genannten Politikern besonders mit Koch und Wulff auch ihre früher größten politischen Konkurrenten. Doch mit jedem Personalwechsel werden auch die Stimmen lauter, die den Führungs- und Regierungsstil der Kanzlerin infrage stellen. Der Vorwurf wiegt schwer, dass die Kanzlerin zudem mit dem Wirtschaftsfachmann Friedrich Merz und dem konservativen Hardliner Roland Koch Politiker aus dem Weg geräumt hat, die mit ihren zum Teil extremen Ansichten Parteiflügel und bestimmte Wählerschichten an die Union binden konnten.

Die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sieht Merkel durch den Rückzug von Beusts in Bedrängnis. "Das lässt sich titeln mit ,Merkel allein zu Haus' ", sagte Nahles der taz, "die Union ist im Zerfall begriffen, und Merkel steht diesen Auflösungserscheinungen orientierungslos gegenüber, wo Führung gefragt wäre".

Problematisch könnte es für Kanzlerin Merkel zudem werden, wenn es in Hamburg tatsächlich zu Neuwahlen kommen sollte - wie der SPD-Vorsitzende und wahrscheinliche Hamburger Spitzenkandidat Olaf Scholz fordert.

Denn Schwarz-Grün hat nach aktuellen Umfragen in der Hamburger Bürgerschaft keine Mehrheit mehr - weil vor allem die Union wohl Stimmen abgeben müsste. Und Angela Merkel würde damit das dringend benötigte Vorbild auf Landesebene für eine eigene schwarz-grüne Zusammenarbeit im Bund fehlen.

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9 Kommentare

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  • W
    Wolfgang

    Wie bei der Titanic:

    Alle Matrosen sind weg und den Kapitän wird's auch noch erwischen.

    Alles wegen mangelnder Planung und Überheblichkeit:

    Uns kann doch nix passieren.....

    Der C-Gott half auch nicht.

  • MS
    M.Buikis, SED-Opfer

    Das Mädchen des Altkanzlers H.Kohl hat viele Fehler in den letzten Jahren sich geleistet u.a. F.Merz und nun der Erste Bürgermeister vom Hamburg.

    Die Kanzlerin schadet der CDU und der Führungsstil ist nicht mehr CDU die wir kennen. Die Kompetenz als Führungskraft in der Partei und Regierung ist ein nicht wissen, mal so und so, das schadet der CDU und Regierung, kann Frau Merkel eigentlich regieren ist sie dazu fähig?

    Die Frage der Macht hat sie verloren und ist für die Niederlagen der CDU, aber auch der Regierung die hauptverantwortliche Person, noch nie war die CDU so tief gesunken wie unter der Führung von Frau Merkel.

    Das Mädchen, der Altkanzler hat ihren Aufstieg gefördert und verloren.

  • P
    pekerst

    "Politikwissenschaftler Gerd Languth" - Wenigstens der Name sollte richtig geschrieben sein: Langguth.

     

    Die Krokodilstränen von Frau Nahles sind nicht einmal ein guter Witz.

  • A
    Amos

    Heute entfernt man den Schäfer nicht mehr damit die Herde sich zerstreut. Heute zerstreut sich die Herde und der dumme Schäfer bleibt.

  • F
    freidenker

    Wieviel gewählte MP's haben wir eigentlich noch ?

     

    Künftig sollten die Kandidaten angeben, wie lange sie ihr Amt ausführen wollen.

  • M
    Mikki

    Eine Politik, wie sie Angela Merkel mit ihren politischen Freunden betrieben hat und betreibt, kann nur eine begrenzte Zeit gut gehen: Merz, Oettinger, Koch, Rüttgers, Köhler, von Beust, ein Wunder, dass Seehofer noch stand hält. Wer mit Taktiererei systematisch potenzielle Konkurrenten aus dem Weg räumt, muss sich nicht wundern, wenn eines Tages eine ganze Nachfolgergeneration "ausgestorben" ist ... und stellt damit eindrucksvoll unter Beweis, dass es nicht um das Wohl des Landes geht, sondern einzig und allein um Macht, Macht und noch mal Macht. Das sagt einer, der der CDU mal sehr nahe stand, und mittlerweile zu der Erkenntnis gelangt ist, dass das - egal in welche Partei man guckt - eben zum System geworden ist. Deswegen werden wir auch schon lange nicht mehr von den Besten regiert. Einer der Besseren hat mit Ole von Beust jetzt auch noch den Hut genommen.

    Die Politiker sollten sich endlich auf ihre verfassungsmäßigen Aufgaben besinnen, und weg kommen von der Haltung, dass Deutschland ein SB-Laden für persönliche Karrieren ist.

  • V
    vic

    Ach, was nutzt das denn alles, so lange SIE und Leute wie Guttenberg wie mit Superkleber fest an den Stühlen kleben.

    Keine Hoffnung - nirgendwo.

  • GV
    Georg von der Oder

    Trifft zu! Wer es immer noch nicht merken will: Merkel zerstört mit Ihrer Art, Probleme zu "lösen", die Kathedrale der Demokratie, die wir bisher als CDU kannten. Vom weggemerkelten Merz bis zum jüngst das Handtuch schmeißenden OvB. Der CDU gehen wie weiland unter Kohl die Nachfolgekandidaten aus. Merkel nimmt wirklich allen die politische Luft zum atmen. Das mag die Hasser von Konservatismus freuen, aber auch nur solange, bis sie merken, dass der Ast, auf dem auch sie sitzen, weg bricht. Den Schaden müssen alle ausbaden. Ein komischer weiblicher Regierungsstil aus der Uckermark ist das: wegdrücken statt kommunizieren, moderieren statt regieren, Probleme aussitzen statt lösen. Eines Tages geht auch sie lautlos und hinterläßt eine BRD, eine Beschädigte Republik Deutschland. Und das dürfte dann auch politische Gegner nicht erfreuen. Was fehlt ist eine offene kritische Diskussion darüber in und außerhalb der CDU. Aber wer soll die jetzt noch führen?

  • U
    Ulrich

    Macht doch nix, solange solch ein Kaot wie der in Niedersachsen als Nachwuchs da ist...stehen soviele in den Startlöchern. Für die, die ausgefallen sind gibt es so viel Nachwuchs. Auch wennn die im Bierzelt geboren wurden wie der Herr Mac oder was weiß ich.

    Der Mann hat doch nur Sprüche auf Lager.

    Angie , der Nachwuchs ist da..........!