Rücktritt von Brandenburgs Bildungsminister: Karriereknick im BMW
Schon wieder kommt Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck ein SPD-Minister abhanden. Bildungsminister Holger Rupprecht stolpert über eine Dienstwagenaffäre.
Um Brandenburgs Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) wird es langsam einsam. Nachdem seiner SPD bereits im September nach einer Unterhaltsaffäre Innenminister Rainer Speer abhandenkam, trat am Donnerstag Bildungsminister Holger Rupprecht zurück. Der 58-Jährige stolperte über eine Dienstwagenaffäre. Damit kamen Platzecks SPD seit der Vereidigung der rot-roten Landesregierung im November 2009 drei Minister abhanden. Agrarministerin Jutta Lieske war im Februar 2010 wegen gesundheitlicher Probleme zurückgetreten. Mehr Abgänge - nämlich fünf - hatte in so kurzer Zeit nur die CDU in Hamburg zu verzeichnen. Am Ende bedeutete es das Aus für Schwarz-Grün in der Hansestadt.
Holger Rupprecht hatte sein Schicksal zuletzt in die Hände der Staatsanwaltschaft Neuruppin gelegt. Sollte diese wegen der Dienstwagenaffäre Anklage erheben, wolle er zurücktreten. Nun ist er der Staatsanwaltschaft, die am Freitag Stellung zum Ermittlungsverfahren gegen den Minister beziehen will, zuvorgekommen. Zuletzt hatte neben der Opposition aus Grünen, CDU und FDP auch die Lehrergewerkschaft GEW Rupprechts Rücktritt gefordert.
GEW-Landeschef Günther Fuchs sprach im Zusammenhang mit der Affäre von einem "Entrücktsein" des Ministers. Rupprecht hatte vom 17. Dezember bis zum 3. Januar einen 100.000 Euro teuren Allrad-BMW unentgeltlich getestet - nach eigenen Angaben als Dienstwagen. Auch in den Skiurlaub war der Minister mit dem Luxusschlitten gefahren. Den landeseigenen Fuhrbetrieb BLB, der für Dienstwagen in Brandenburg zuständig ist, hatte er erst nach seiner Rückkehr informiert. Der Vorwurf lautet nun "Vorteilnahme". Normalerweise hätte der BMW der 7er-Reihe 300 Euro Miete am Tag gekostet.
Dass Rupprecht sich öffentlich für diese, wie er wörtlich sagte, "Dummheit" entschuldigt hatte, hat ihm nicht mehr geholfen. Der Druck war zu groß geworden. GEW-Landeschef Fuchs verwies auf Lehrer, die Klassenfahrten aus eigener Tasche zahlen müssten, und sagte: "Die Leute haben die Nase voll."
Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sagte am Donnerstag in Potsdam auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz, er respektiere Rupprechts Entscheidung: "Er steht damit zu seinem Wort und zieht die Konsequenz aus einem unbedachten Fehler." Die Nachfolge hatte Platzeck zu diesem Zeitpunkt schon eingetütet. Martina Münch, bisher Ministerin für Wissenschaft und Kultur, soll das Bildungsressort übernehmen. Ihre Nachfolge tritt die weit über Brandenburg hinaus geschätzte Präsidentin der Universität Potsdam und des DAAD, Sabine Kunst an. Mit ihr wird Brandenburgs Koalition weiblicher.
Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Axel Vogel, sieht im neuerlichen Ministerverlust keine rot-rote Koalitionsdämmerung. "Das schweißt die eher zusammen", sagte Vogel der taz. Vor Platzecks SPD war im rot-roten Bündnis vor allem die Linke mit zahlreichen Stasi-Affären aufgefallen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos