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Rückschlag für Sri Lankas Regierung

Der Überfall auf den Militärstützpunkt zeigt, daß die tamilische Guerilla der Armee weiterhin die Wahl der Kampfmittel aufzwingen kann / Strategie Colombos durchkreuzt  ■ Aus Neu-Delhi Bernard Imhasly

Die srilankische Armee hat gestern die Evakuierung von verletzten Soldaten aus der Gegend der Militärbasis von Pooneryn fortgesetzt, die am Donnerstag von Rebellen der Befreiungstiger von Tamil Elaam (LTTE) angegriffen worden war. Die Evakuierung hatte am Sonntag begonnen, nachdem es der Armee nach heftigen Kämpfen gelungen war, den Stützpunkt zurückzuerobern.

Die Flottenbasis Nagathevanthurai und das dahinterliegende Armeelager von Pooneryn an der Nordspitze der Hauptinsel sind von der Halbinsel Jaffna nur durch die gleichnamige Lagune getrennt. Pooneryn bildet, zusammen mit der Dammstraße des Elephantenpasses den wichtigsten Zugang nach Jaffna, da mehrere Fähren und Bootsdienste hier die Verbindung vom Norden mit der Küstenstraße in den Süden herstellen. Eine der Fährenstraßen führt nach Kilali, dem Hauptstützpunkt der amphibischen Einheiten der LTTE, den „Sea Tigers“.

Kilali war im September Ziel einer kombinierten Operation der srilankischen Streitkräfte gewesen. Laut Beobachtern hätten der Hafen und die Werft ein Brückenkopf für eine größere Kampagne im nächsten Frühjahr werden sollen, die den Krieg auf die von der LTTE kontrollierte Halbinsel getragen hätte. Doch die LTTE konnte die Werftanlagen nach schweren Kämpfen zurückgewinnen, und die Armee mußte sich, trotz vollständiger Luftherrschaft, unter großen Verlusten zum Militärlager am Elephantenpaß zurückkämpfen.

Neben der Kilali-Aktion war die kürzliche Schließung der beiden Zugänge Pooneryn und Elephantenpaß für den Zivilverkehr ein weiterer Hinweis auf eine geplante Aktion der Armee gewesen. Der Überraschungsangriff der LTTE auf das gutbefestigte Pooneryn hat nun gezeigt, daß die tamilischen Guerillas keine Mühe haben, eine solche Blockade zu durchbrechen. In der Frühe des Donnerstags eroberten Sea Tigers zunächst die Flottenbasis und unterstützten dann von dort aus den vom Festland geführten Angriff von rund 2.500 Guerillas auf das dahinterliegende Militärlager, von dem die Munitions- und Waffenlager rasch in die Hände der Angreifer fielen.

Die Wahl dieser Ziele zeigt, daß es der LTTE – neben der psychologischen Wirkung ihrer Aktion – in erster Linie um die kostbare Beute in Form von Kommunikationsanlagen, Schnellbooten, Artillerie und Munition ging. Die Räumung Pooneryns durch Eliteeinheiten der Armee nach drei Tagen vergeblicher Versuche ist denn auch weniger als Sieg der Streitkräfte, sondern als Rückzug der Guerillas zu verstehen, ganz im Sinn ihrer Strategie, die nicht auf territoriale Gewinne ausgeht.

Der Angriff auf Pooneryn bedeutet vielleicht die schwerste Niederlage der Regierungstruppen im zehnjährigen Bürgerkrieg. Die Streitkräfte verloren mindestens fünfhundert Soldaten und Offiziere; über 1.000 Soldaten wurden verletzt. Die LTTE hat ihren Bedarf an Waffen, Munition und Transportgeräten in Erwartung einer größeren Armeeoperation weitgehend decken können, auch wenn sie dafür auch rund 500 ihrer Kämpfer verlor – in der zynischen Kalkulation der Tiger zweifellos eine lohnende Investition.

Vor allem aber hat sie die militärische und politische Strategie der Regierung durchlöchert. Diese sah vor, den Osten der Insel von den Terroristen zu befreien, diese auf die Halbinsel Jaffna zurückzudrängen und dort einzukesseln. Gleichzeitig wollte Präsident Wijetunga durch ein Referendum den Zusammenschluß der Nord- und Ostprovinz rückgängig machen, gegen den Widerstand der gemäßigten tamilischen Parteien. In nicht allzuferner Zukunft sollten dann in der neu etablierten Ostprovinz Lokalwahlen durchgeführt werden, um der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit – und den westlichen Ländern – zu zeigen, daß die LTTE eine verbrauchte Kraft ist.

Der sorgfältig gewählte Zeitpunkt des Angriffs auf Pooneryn hat nun gezeigt, daß die LTTE der Armee weiterhin Zeit und Ort des militärischen Engagements ebenso wie die Wahl der Kampfmittel aufzwingen kann. Auch die Armee hatte einen Angriff erwartet, den Zeitpunkt dafür aber auf das Datum des Geburtstags des LTTE- Chefs Prabhakaran angesetzt. Die psychologische Wirkung des jüngsten Überfalls wird um so nachhaltiger sein, sowohl für die Armee – die ohnehin bereits Mühe hat, ihre Ränge zu füllen – wie auf die Bevölkerung.

Der stellvertretende Parlamentssprecher Gamini Fonseca gab einen Hinweis auf deren Befindlichkeit, als er am Samstag mit zynischer Ironie davon sprach, daß angesichts der „Lethargie der Politiker Prabhakaran und seine Leute nächste Woche in Colombo einmarschieren“ können. Und er teilte wohl die Meinung zahlreicher Singhalesen, als er sagte, Sri Lanka sei „das einzige Land der Welt, in dem der militärische Gegner mit Nahrung, Medikamenten und anderen Mitteln des Grundbedarfs versorgt wird“.

Der jüngste Zwischenfall hat nun allerdings gezeigt, daß auch ein „heißer“ Krieg nur wenig Chancen hätte, den bitteren ethnischen Konflikt zu lösen. So sind denn die Rgierungsvertreter auf der Jaffna-Halbinsel, die immer noch die Illusion der Regierungssouveränität im Tamilengebiet aufrechterhalten, gegenwärtig dazu verurteilt, den gegenseitigen Austausch der Leichen der getöteten Kämpfer von Pooneryn zu organisieren.

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