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Rückkehr von IS-Frauen aus FinnlandPolitik auf Instagram

Wie umgehen mit Frauen und Kindern, die beim IS in Syrien gelebt haben? Die neue finnische Regierung sucht ausgerechnet auf Instagram nach Antworten.

„Was meinst du?“, fragt Finanzministerin Katri Kulmuni auf Instagram Foto: reuters

STOCKHOLM taz | Gerade noch als „Frauenregierung“ international beachtet, ist Finnlands frisch angetretene Regierungskoalition unsanft im Alltag gelandet. Als Erstes muss Ministerpräsidentin Sanna Marin ein Problem lösen, das sie von ihrem Vorgänger Antti Rinne geerbt hat – ein Erbe, bei dem sich die fünf Regierungsparteien höchst uneinig sind und bei dem sich nun auch noch die neue Finanzministerin und Vorsitzende der liberalen Zentrumspartei Katri Kulmuni alles andere als hilfreich verhalten hat.

Es geht um die „Al-Hol-Frauen“: finnische Staatsangehörige, die zeitweise beim sogenannten „Islamischen Staat“ in Syrien gelebt haben und die jetzt im überfüllten Flüchtlingslager von al-Hol in Nordsyrien leben. Ihre Kinder sind meist jünger als sechs Jahre.

In Helsinki streitet die Regierung darum, ob Finnland diese Mütter mit ihren Kinder zurücknehmen soll oder nur die Kinder. Dabei geht es lediglich um elf Frauen, von denen eine bereits angekündigt hat, nicht nach Finnland zurückkehren zu wollen. Kulmuni und ihre Zentrumspartei sind im Gegensatz zu Sozialdemokraten, Linken, Grünen und Liberalen der Auffassung, nur die Kinder sollten nach Finnland zurückkehren dürfen.

Am Donnerstag entschloss sich die Zentrumsvorsitzende, dazu die „Öffentlichkeit“ befragen zu wollen. Ausgerechnet im Rahmen einer „Instagram-Story“ stellte sie zwei Alternativen zur Abstimmung: „Sollen wir den finnischen Kindern zurückhelfen? Oder sollen wir auch deren Mütter zurücknehmen?“ Mit der eigenen Meinung hielt sie nicht hinterm Berg: „Von letzterer Alternative bin ich nicht begeistert, denn ich glaube, dass mit diesen Erwachsenen ein fürchterliches Terrorrisiko verbunden wäre. Was meinst du?“

Eine Grenze überschritten

Schnell verbreiteten sich Bilder dieser Abstimmung in den sozialen Medien und es regte sich internationale Empörung. „Fürchterlich“, twitterte Andrew Stroehlein, Kommunikationschef der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. „Ein Staat sollte in jeder Situation die Rechte seiner Mitbürger verteidigen und nicht eine öffentliche Abstimmung in sozialen Medien über Leben und Tod seiner Bürger veranstalten.“ Und er fragte: „Was kommt als Nächstes? Öffentliche Hängung je nach der Lautstärke des Beifalls im Stadion?“

Die 32-jährige Kulmuni steht unter einem enormen Erfolgsdruck

„Mein Ziel war es, eine Diskussion über ein kompliziertes Thema in den sozialen Medien zu führen. Das ist gescheitert. Ich entschuldige mich für die Umfrage“, reagierte Kulmuni einen Tag später und entfernte ihre Umfrage wieder. Trotzdem kommentierte die Tageszeitung Hufvudstadsbladet am Samstag, Kulmuni habe alle Grenzen überschritten: „Geschmacklos, unverantwortlich, naiv und als Parteivorsitzende und Finanzministerin des Landes ungeeignet.“

Erst im September zur Parteivorsitzenden gewählt, steht die 32-jährige Kulmuni unter einem enormen Erfolgsdruck. Das Zentrum, das von 2015 bis 2019 die Regierung führte, hatte bei den Parlamentswahlen in diesem Frühjahr ein Drittel seiner Stimmen verloren und sackt seither in Umfragen weiter ab.

Im Bemühen, diesen Trend zu stoppen und die Partei zu profilieren, brach das Zentrum bereits jene Regierungskrise los, die zum Rücktritt von Antti Rinne geführt und damit den Weg für Sanna Marin geöffnet hatte. Nun spaltet sie die Koalition erneut.

Eine gefährliche Situation, warnt der Politikwissenschaftler Lauri Karvonen. Die oppositionellen Wahren Finnen, die ebenso wie die oppositionellen Konservativen und das Zentrum gegen eine Rücknahme sind, freuen sich über die uneinige Koalition und wollen noch in dieser Woche eine parlamentarische Anfrage zu den „Al-Hol-Frauen“ stellen. Für Mittwoch drohen sie mit einem Misstrauensantrag.

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1 Kommentar

 / 
  • RS
    Ria Sauter

    Was war daran falsch? Der



    Ort war unglücklich gewählt, eine Volksbefragung sinnvoll.