Rückkehr der Tennissocke: Das weiße Grauen
Ein untragbares Revival: Die Tennissocke ist zurück. Mit ihr wird jeder Tag zu einer Bad-Taste-Party.

Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Unbestreitbar ist allerdings die Tatsache, dass schlechter Geschmack wieder schwer en vogue ist. We proudly present: die weiße Tennissocke, der hoffentlich letzte schon längst untragbar geglaubte Modetrend des schon viel zu lange dauernden 80er-Jahre-Revivals.
Unschlagbar ist die Boris-Becker-Gedenksocke in der Kombi Dreiviertelhosen/Sneakers/T-Shirt/Schal, zu sehen an hippen, jungen Männern im sich selbst als Szeneviertel begreifenden Berliner Prenzlauer Berg. Oder als dezentes Antifarbtupferl zum ebenfalls wiederkehrenden Mokassin. Wahlweise darf sich der modebewusste Träger auch die lilafarbene Trainingshose in den Strumpf stecken - erlaubt ist alles, außer Socken in Sandalen.
Was ist da passiert? Seit zwanzig Jahren fristen Tennissocken - mit oder ohne Streifen an Bündchen - ein muffiges Dasein am Fuß von aktiven Sportlern oder Prolls mit Goldkettchen. Da alle Jahre wieder nicht nur das Christuskind kommt, sondern sich auch die Mode aus einem der letzten Jahrzehnte wiederholt, sind die weißen Baumwollstrümpfe urplötzlich wieder angesagt. Das nennt man dann wahrscheinlich den Bumerangeffekt der Mode. Einige Beispiele der wiederkehrenden 80er gefällig? Aus der Musik gäbe es da vom Album "80s Flashback" mit Coverversionen der "geilsten Kracher der 80er" vom letzten September zu berichten. Die Trendmarke American Apparel wartet mit ballonseidenen Trainingsjacken und Neonleggins auf. Und jetzt also, nicht nur bei Nike und Adidas, sondern seit eh und je in jedem größeren Supermarkt erhältlich: Tennissocken. Punkt, Satz, Sieg für diese Sportbekleidung.
Dabei ist, was wir für Modebewusstsein halten, eine gesellschaftliche Entwicklung, in der die Massen in den Oberschichthabitus einbrechen. Früher sei Stilbewusstsein ein Luxus gewesen, welcher der Oberklasse vorbehalten blieb, so der französische Soziologe und Philosoph Pierre Bourdieu. Heute hingegen erkennt man diejenigen, die es sich leisten können, und das definiert man nicht mehr nur finanziell, an ihrer vermeintlichen Stillosigkeit.
In der demokratisierten Mode ist eben alles erlaubt - außer Langeweile. Und um zwischen der grauen Einheitsmasse aufzufallen, sind sich manche Menschen für nichts zu schade. Woran liegt es nur, dass die Reliquien des geschmacklosesten Jahrzehnts plötzlich wieder tragbar sind? Ist es Ratlosigkeit?
Damit man(n) sich beim Tragen von Tennissocken nicht komplett lächerlich macht, zum Schluss noch ein kleiner Tipp von Bernhard Roetzel, Autor des Style Guide "Der Gentleman. Handbuch der klassischen Herrenmode": "Guter Stil ist für mich Balance. Wenn man es nicht schafft, Ironie reinzubringen, sollte man die Finger davon lassen."
Jetzt, da die gemeine Tennissocke auf dem Siegertreppchen vor sich hin müffelt, bekommt hoffentlich auch Footsie, die enthaltsame Sockenpuppe aus "American Dad", eine eigene Serie. Man darf gespannt sein.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
ifo-Studie zu Kriminalitätsfaktoren
Migration allein macht niemanden kriminell