Rudolf Scharping, nicht munter wie der Fisch im Pool

Der Kanzler und SPD-Vorsitzende hat Wort gehalten: Er hat seinen Parteivize, den Verteidigungsminister, gestützt – geholfen hat es nur bedingt

NÜRNBERG taz ■ Als die Delegierten Rudolf Scharping als stellvertretenden Parteivorsitzenden mit 301 von 512 Stimmen bestätigen, da hat Gerhard Schröder schon ein anderes Sorgenkind. Weil sein außenpolitischer Berater Michael Steiner neulich an Bord eines Regierungsflugzeugs die Crew beschimpft hatte, forderte Bild gestern: „Kanzler, entlassen Sie diesen Mann!“

Ähnlich schrieben vor ein paar Wochen so ziemlich alle maßgeblichen Zeitungen des Landes über den Verteidigungsminister. Ein bisschen zu oft und in die falsche Richtung war er mit dem Luftwaffen-Airbus geflogen. Meist ging es nach Frankfurt, wo seine Lebensgefährtin lebt, mal nach Mallorca, wo sie ihn zum Abendessen erwartete. Dazu kamen politische Missgeschicke, vor allem aber eine Bundeswehrreform, an die der Minister umso mehr zu glauben schien, je weniger es seine Kollegen in der Koalition taten.

Entlassen hat der Kanzler ihn damals trotzdem nicht. Wie oft und wie nahe Schröder davor stand, darüber gehen die Auskünfte auseinander. Der Parteitag wird’s schon richten, spekulierten dann manche. Scharping würde bei den Vorstandswahlen abstürzen. Dann würde der Kanzler auch auf den Minister verzichten, so das Kalkül.

Doch Schröder bietet Personenschutz. Er spricht von der Notwendigkeit militärischer Mittel, „und das verbindet mich mit Rudolf Scharping, und das wird auch so bleiben“. Ohnehin hatte der SPD-Vorsitzende schon vor zwei Wochen angekündigt, Scharping werde ein Ergebnis haben, wie es sich für einen Parteivize gehöre. Nicht ganz: Hatten 1999 noch 73,42 Prozent der Delegierten für Scharping gestimmt, waren es gestern gerade mal 58,7 Prozent.

„Das ist eine Frage des Anstands“, sagt Schröder bei solchen Manövern gern. Doch ausschlaggebend war wohl nicht das Schuldgefühl wegen des Sturzes von Mannheim 1995, als der SPD-Chef Scharping Oskar Lafontaine weichen musste. Scharpings Ablösung würde wohl 10 bis 15 Milliarden Mark kosten; so viel müsste Schröder einem Nachfolger schon bieten, damit der die festgefahrene Armeereform in Schwung bringen kann. Auch der bevorstehende Einsatz in Afghanistan hemmt den Kanzler wohl, den Oberbefehlshaber der Bundeswehr auszutauschen.

Falsch ist auch die These, dass der 11. September Scharping vorerst gerettet hätte. Noch bevor deutsche Soldaten für den Einsatz bereit gemacht wurden, machte ihr Oberbefehlshaber von sich reden. Mal durch voreilige, mal durch verspätete Einlassungen in der Presse hinterließ er den politisch fatalen Eindruck, er sei nicht eingebunden in die extrem feine Verzahnung von diplomatischen und militär-strategischen Planungen zwischen der Bundesregierung und ihren Nato-Verbündeten.

Und die Plantsch-Fotos sind nicht vergessen. Die FAZ hat kürzlich noch durch ihren Kulturkorrespondenten in Spanien jenen Swimmingpool auf Mallorca einer Nachbesichtigung unterziehen lassen, den Scharping zu einem Platz deutscher Nachkriegsgeschichte erhoben hat. Alles ruhig an dieser Front, fand dieser: „Goldfische haben keine Taille, an der sie sich gegenseitig aus dem Wasser stemmen könnten.“ PATRIK SCHWARZ