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Rucola-PanikDas Kreuz mit dem Kraut

Ein fremder, giftiger Stängel verdirbt den Ruf des Lifestyle-Salats Rucola. Hilfe! Plötzlich schlägt die Natur zurück. Wird so das Aus für die Rauke eingeläutet?

Ruf nachhaltig zerstört? Rucola-Salat. Bild: dpa

Die Menschen würden schon gerne "zurück zur Natur", wenn sie nur nicht so eine Höllenangst vor ihr hätten. Und nun lauert sie, die Natur, sogar im Discountmarkt auf ihre Opfer, mischt sich in Form des gemeinen und vor allem giftigen Kreuzkrauts in eine zellophanumhüllte Plasteschale des Lifestyle-Unkrauts Rucola - und schon ist das ganze Land in Panik.

Die Discounter bestellen in Notwehr den Rucola aus deutschem Anbau ab, den Bauern bleibt nun nichts übrig, als ihr sorgsam gehegtes Unkraut, die Rauke, wieder dorthinzupflügen, wo es herkam, nämlich unter den Acker. So ging es eine Woche lang. Doch nun ist alles wieder gut. Oder?

Der prominente Auftritt des gemeinen Kreuzkrauts könnte dennoch das Ende der nun schon einige Jahre währenden Karriere des Rucola einläuten, die einst von findigen Marketingstrategen angeschoben wurde. Der Rucola kam aus Italien über uns, zunächst im Gewand eines simplen Salats, angemacht mit Balsamico und Olivenöl, der schließlich Hochzeit feierte mit aromatischen Strauchtomätchen und gehobeltem Parmesan.

Vom Salatteller aus trat der Rucola seinen Siegeszug an, steckte widerborstig im Frischkäse zwischen zwei Bagel-Scheiben, mischte sich bitter in Form von Pesto unter die Pasta, landete unter Käse geschreddert im Tiefkühlregal, fehlte auf keiner Pizza mehr, wo er als moosiges Kissen den Parmaschinken bedeckte - und fand stets ein glückliches Ende in den Zahnzwischenräumen seiner Konsumenten.

Im Windschatten des Rucola konnten sich auch andere Unkräuter breitmachen, zum Beispiel der Bärlauch, der im Gegensatz zu Rucola schon immer saisonal skandalumwittert war: Todesmutige Naturfreunde verwechseln Bärlauch in regelmäßigen Abständen mit Maiglöckchen und anderen giftigen Doppelgängern, unlängst bezahlte ein Bärlauch-Sammler für diese Verwechslung mit seinem Leben.

Zuletzt fanden sich sogar Unkräuter auf dem hochwertigen Salatteller, die kaum zu verwechseln sind, da sie jedes Kind kennt: Jene einheimische Rauke, die an Bahnsteigen und Bushaltestellen wächst und gerne als pflanzliches Auffangbecken für menschlichen Urin und solchen des Hundes missbraucht wird. Hübsch drapiert an in Honig und Zitrone marinierte Hühnchenscheiben entfloh dieses Unkraut seinem randständigen Dasein und fand sich im Kerzenlicht erlesener und/oder hipper Restaurants wieder.

Die Natur findet also stets Mittel und Wege, zum Menschen zu gelangen. Nur der Mensch stellt sich umständlich und verschroben an, wenn es umgekehrt sein soll. Wer in den Wald spazieren geht, womöglich in der abenteuerlichen Absicht, den ein oder anderen Pilz zu pflücken, findet neuerdings hinter jedem zweiten Baum ein Warnschild, das so eindringlich vor dem toxischen, gemeinen Kreuzkraut warnt, dass man sich in vermintem Terrain wähnt. Um die Ecke lauert zudem schon die Zecke, allzeit bereit, Borreliose und Meningitis zu verbreiten. Der Fuchsbandwurm hockt auf der Heidelbeere, die Tollkirsche glitzert mordlüstern. Naturnähe kann so schnell zum Albtraum werden.

Das Kreuz mit dem Kraut, es ist eine menschliche Tragödie von Entfremdung und stiller Sehnsucht nach Einheit. Und im Ganzen, wie beim Bärlauch, eine Verwechslung: Die Natur wird längst für einen städtischen Park gehalten. Wächst dort das Gras ungemäht und wild, steht sofort ein Schild davor, "Langgraswiese. Betreten Verboten".

Der Aufwand um Beschaffung und Bewusstsein, den moderne Konsumenten betreiben, wenn es um die eigentlich simple Befriedigung ihres Hungers geht, generiert als Nebenprodukt eine Heidenangst. Angst vor tödlichem Grillfleisch, phobische Intoleranz gegenüber unheimlich gewordener Industriemilch - und nun auch noch Panik vor den bislang als unschuldig geltenden Pflanzen, so sie denn nicht genmanipuliert waren. Beruhigend ist dabei nur das eine: Immer mehr Studien, Experten und Expertisen bestätigen: Das Leben endet meistens tödlich.

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17 Kommentare

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  • M
    Milbert

    Ich kenne einen Kettenraucher, der keinen Rucola mehr ist - wegen der Gesundheitsgefahren!

     

    Früher war die Rauke übrigens angenehm bitter. Das fand ich schmackhaft. Heute ist Rucola fast völlig geschmacklos gezüchtet worden. Das ist als Thema auch mal interessant.

  • PM
    Paul Maly

    Ich habe laut gelacht! danke für diesen gelungenen text

  • D
    double_b

    Top Artikel.

    Besonders der letzte Satz. Zwar nicht neu aber passt perfekt! Ich finde auch, dass die Menschen einfach zu viel Angst haben (oder sich Angst machen lassen). Zu Ende gehts sowieso....

    Walmanns heil!

    BB

  • N
    noevil

    Es wäre zum Lachen, wenn's nicht so schade wäre. Trotzdem, das Grinsen konnte ich mir an der einen oder anderen Stelle nicht verkneifen. Da hilft halt nur eines: Da wo es möglich ist, sich genau kundig machen, gucken, wie man das eine vom anderen unterscheiden kann, trennen und sich dann für den Rest den gesunden Appetit nicht verderben lassen. Alsdann: Mahlzeit!!

  • J
    Jackabum

    Der Artikel ist ja total daneben!

    1, Langgraswiesen sind Biotope zur Erhaltung von

    seltenen Blumen u.a. von Schmetterlingen.

    2. Das Kreuzkraut ist keine Hysterie sondern hoch giftig und stellt auch Weidetiere eine ernste Gefahr dar.

    Beim Menschen kann es zu Organschäden(Leber) und sogar tödlich (z.B. Kleinkindern)enden.

    3. Das Kreuzkraut (Jakobskreuzkraut)beinhaltet das PA-Toxin und ist als 2-jährige Pflanze im 1-jährige Zustand schwer von einer Salatpflanze zu unterscheiden.

     

    Und noch was!

    Ein Journalist hat auch gewisse Verantwortung und man kann sich vorher imformieren und keine Schickimicki-Artikel verzapfen.

  • JB
    julius B.

    Sehr schön geschrieben!

  • DJ
    Dr. Jengan Chanel

    Hallo Martin Reichert,

     

    sehr gut geschriebener Artikel !

    Stellenweise vielleicht etwas zu feuilletonistisch...

     

    Liebe Grüße

     

    Dr. Chanel

  • BK
    Barbara Kirsch

    Hallo Martin,

     

    Du sprichst mir aus der Seele!

     

    Tschüß

    Barbara

  • N
    Nachdenken

    Ja, ja. Wenn wir doch nur nicht so viel Angst vor der Natur hätten.

     

    Wer Maiglöchcklen nicht von Bärlauch unterscheiden kann, der weiß, dass er im Leben irgendetwas sehr wichtiges versäumt hat.

     

    Aber der Feldzug gegen alles was da draußen blüht fängt ja gerade erst an. Sicher ist wohl nur, was wir im Supermarkt in Plastik gehüllt kaufen. Rotten wir das ganze giftige Gemüse doch einfach aus.

     

    Man sollte hier aber anführen, dass die größten Kampanien gegen Kräuter aus dem Hause der Pharmaindustrie stammen. Seltsam... genau jene, die doch nur durch unsere Krankheit und nicht durch unsere Gesundheit profitieren. Das gibt einem doch zu denken, oder?

  • T
    Typhacea

    Ja, das Sommerloch! Aber dafür kriegt es die/der taz-LeserIn auch wieder gut eingeschenkt (italophile Menschen gehören doch zu Eurem Klientel, oder?). Zugegeben, die Rauke hätte ohne den ital. Namen sicherlich keinen Eingang in unsere Salatschüssel gefunden!

    Aber mal ernsthaft: Wenn ich Salat kaufe (egal ob auf dem Markt oder im Discounter), dann möchte ich kein leberschädigendes Greiskraut darin haben(in Champignons haben schließlich Knollenblätterpilze auch nichts verloren!). Vom Blatt her ist das Kraut übrigens gar nicht so leicht zu unterscheiden von der Rauke. Und wer kennt bei den Blüten schon den Unterschied zwischen Kreuzblütlern (Rauke) und Korbblütlern (Greiskraut)?

    Davon mal abgesehen, sollte man wegen der hohen Nitratwerte von Rauke eh etwas zurückhaltender im Konsum sein.

    Also guten Appetit!

  • J
    Jarama

    Ich finde den Beitrag sehr gut. Tatsächlich unterliegen wir inzwischen einem Sicherheitswahn, der immer groteskere und teilweise auch gefährliche Züge annimmt. Er beschränkt sich dabei sicherlich nicht auf die Natur. Immer wieder wurde ich beim Lesen an das Internet erinnert. Ähnlich wie in der Natur ist ja dort auch alles wild und rechtsfrei, Betrüger, Schänder, Nepper, Schlepper und Bauernfänger lungern den ganzen Tag dort herum und warten nur auf ihre arglosen Opfer.

     

    Interessanterweise ist auch die Lösung des Problems sehr ähnlich:

    Eine Beschäftigung mit dem Phänomen Internet, ebenso wie dem Phänomen Natur kann die Angst schnell nehmen. Nach ein paar Stunden Übung kennt man die gängisten und wohlschmeckensten Speisepilze und kann sie mit absoluter Sicherheit von ihren giftigen "Doppelgängern" (die sich zumeist so sehr ähneln wie ein VW einem Porsche) unterscheiden. Die Pilze bei denen man sich unsicher ist lässt man eben stehen oder untersucht sie zu Hause genauer mit Hilfe eines Pilzbuchs.

    Auch die größten Gefahren im Internet kann man mit ein wenig Übung umgehen lernen. Man entwickelt ein Auge für Webseiten oder Meldungen auf dem Computer, für Spammails und Phising und kann bald mit hoher Sicherheit die genießbaren von den ungenießbaren Angeboten und Seiten unterscheiden.

     

    Mir stellt sich allerdings die Frage, weshalb es überhaupt zu diesem Sicherheitswahn kommt. Zwei mögliche Erklärungen:

     

    1. Der Mensch ist mit der Moderne überfordert. Er kann sich nicht mehr in der Natur, im Sozialen und im Internet gleichzeitig auskennen. Das jeweils unbekannte wird dabei als verstörend und gefährlich empfunden.

     

    2. Unsere Gesellschaft altert immer mehr. Ältere Menschen sind jedoch vorsichtiger und oft auch ängstlicher als jüngere. Es geht dabei nicht mal so sehr um sie selbst, sondern ganz besonders auch um ihre Kinder und Enkelkinder, die beschützt, gehegt und gepflegt werden müssen.

     

    Verbindet man beide Phänomene, dann kommt eine Gesellschaft heraus, in der die älteren Menschen immer mehr werden und damit immer stärker die öffentliche Diskussion, als auch die Wahlen prägen. Gleichzeitig kommen diese älteren Menschen immer schlechter mit der sich rasant wandelnden Welt zurecht, sie durchblicken die neuen Entwicklungen immer schlechter und so potenziert sich die natürlich Vorsicht durch ein Unverständis der Welt immer stärker.

     

    Heraus kommt dann der aktuelle Sicherheitswahn, der leider besonders von konservativen Politikern mit Verweis auf Terroristen und Vergwaltiger immer weiter geschürt wird.

  • Y
    Yanneck

    Verdammt witziger Artikel, einfach herrlich!

  • L
    Lankwitzerin

    Gesellschaftliche Phobien lassen sich gut vermarkten.

    Alle meinen sie hätten Angst vorm Tod.

    Manche schnallen es, dass es die Angst vorm richtigen Leben ist.

    Unser Problem ist, dass es die wirklichen Gefahren nicht in die Boulevardpresse - also ins Bewußtsein - der Bürger schaffen.

    Irgendein "Wissenschaftler" wird immer bereit sein, gegen entsprechendes Honorar, das Volk mit Ablenkungen zu beschäftigen.

  • J
    Jano

    Fantastischer Artikel, mehr bleibt eigentlich nicht zu sagen. Eine ernste aber nicht verbitterte Kritik an den Macken der Konsumkultur!

  • JB
    jonny b good

    sorry, das ist leider einfach nur ein plumper nichtssagender artikel, der mit der mit dem titel ebendieses wenig zu tun hat.

  • J
    Jackabum

    das Jakobskreuzkraut ist aber nicht harmlos,sondern

    sehr giftig und kann zu Organschäden (Leber) führen und sogar tödlich sein.

    Auch ist das Kraut den Salatpflanzen sehr ähnlich.

  • F
    fahrradlaus

    sehr munter und gut geschriebener Artikel!