Ruandas Völkermord-Financier in Haft: Aus für Félicien Kabuga
Auf der Liste weltweit gesuchter Täter des Völkermordes in Ruanda stand Félicien Kabuga ganz oben. Jetzt wurde der 84-Jährige nahe Paris geschnappt.
Laut Angaben der Genozidtäter-Sucheinheit (GFTU) in Kabugas Heimat Ruanda war der alte Mann zuletzt der “meistgesuchte auf der Liste“ aller mutmaßlichen Völkermörder, die noch immer frei herumlaufen, 26 Jahre nach dem Genozid an einer Million Tutsi im dem kleinen afrikanischen Land 1994.
“Sieben hochkarätige Taeter sind noch immer auf freiem Fuß“, so John Bosco Siboyintore von der GFTU zur taz kurz nach Kabugas Festnahme in Frankreich. Ruandas Staatsanwaltschaft habe in den vergangenen Jahrzehnten 1144 Haftbefehle auf flüchtige Völkermordtäter in 33 Ländern in aller Welt ausgestellt.
Das mittlerweile beendete UN-Völkermordtribunal für Ruanda (ICTR) mit Sitz im tansanischen Arusha sucht Kabuga mit Haftbefehl bereits seit 1998 wegen Völkermord, Mittäterschaft und Aufruf zum Voelkermord sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Der Nachfolgemechanismus des ICTR sowie des UN-Jugoslawientribunals ICTY hat den Haftbefehl aufrechterhalten und an diesen Mechanismus – in Den Haag oder Arusha – soll Kabuga jetzt überstellt werden, sofern die französische Justiz zustimmt. Am Sonntag bereits wurde er einem Haftrichter vorgeführt.
Der reiche Geschäftsmann Kabuga war zur Zeit des Massenmordens in Ruanda vom April bis Juli 1994 Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsfonds, der die Mordmilizen finanzierte, und schon seit 1993 Vorstandschef des Radiosenders RTLM, der damals landesweit zum Mord an den Tutsi aufrief. In jenen rund 100 Tagen schlachteten Hutu-Milizen und Soldaten der Hutu-Armee rund eine Million Angehörige der Tutsi-Minderheit ab – meist mit Macheten, die Kabuga eingekauft hatte.
Fluchtorte Schweiz, Kongo, Kenia
Noch vor dem Sieg der Tutsi-Guerilla RPF (Ruandische Patriotische Front) über das Völkermordregime floh Kabuga außer Landes und lebte kurz in der Schweiz, bevor er nach Zaire ausgewiesen wurde, die heutige Demokratische Republik Kongo. Angeblich konnte er vor seiner Abreise noch Geld von seinem Schweizer Konto abheben. Als 1995 das UN-Ruanda-Tribunal gegründet wurde und Kabuga ins Visier der Ermittler geriet, lebte er direkt jenseits der ruandischen Grenze,in der ostkongolesischen Provinzhauptstadt Goma, wo sich zahlreiche Völkermörder tummelten.
Als Ruandas RPF-Armee 1996 dort einrückte, floh Kabuga weiter in die Hauptstadt Kinshasa. Als die RPF auch dort einfiel, fand er ab 1997 in Kenias Hauptstadt Nairobi Unterschlupf. Angeblich wohnte er in einer Villa, die dem Neffen des damaligen kenianischen Präsidenten Daniel Arap Moi gehörte.
In Nairobi spürten ihn Journalisten auf. Der kenianische Reporter William Munuhe, der ihn interviewte und dann versuchte, seine Festnahme einzufädeln, wurde später ermordet aufgefunden. Die Täter sind bis heute unbekannt. Seit 2000 vermuteten internationale Ermittler Kabuga in Belgien, wo auch seine Frau und Kinder lebten. 2002 setzten die USA in ihrer großangelegten Kampagne “Belohnung fuer Gerechtigkeit“ fünf Millionen Dollar für Kabugas Verhaftung aus.
“Niemand wusste seither genau, wo er sich aufhielt“, so der ruandische Chefermittler Siboyintore zur taz. Er soll sich auch kurz in Deutschland aufgehalten haben. An der „Operation 955“ am Samstag waren neben französischen auch deutsche, belgische, österreichische, britische und US-amerikanische Behörden involviert sowie Europol und Interpol.
Frankreich handelte sehr spät
In Frankreich haben zahlreiche flüchtige Völkermordtäter Unterschlupf gefunden. So auch der Ruander Callixte Mbarushimana, der 1994 als Leiter des lokalen Büros des UN-Entwicklungsprogramms UNDP in Kigali seine eigenen Tutsi-Kollegen getötet haben soll und später jahrelang hoher Funktionär der von flüchtigen Völkermordtätern gegründeten Rebellenarmee FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) war. Er lebt bis heute unbehelligt ebenfalls nahe von Paris.
Frankreichs Staatsanwälte zögerten lange mit Ermittlungen, die Beziehungen zu Ruanda sind seit 1994 gestört, weil das damalige Völkermordregime Frankreich nahestand. Nun aber hätten sich die französischen Behörden sehr kooperativ gezeigt, so Siboyintore. “Wir sind sehr dankbar für diesen großen Beitrag zur internationalen Gerechtigkeit“.
Auch Serge Brammertz, Chefankläger des Nachfolgemechanismus des ICTR, zeigt sich zufrieden: Kabugas Verhaftung sei “eine Erinnerung daran, dass diejenigen, die für den Völkermord verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen werden können, auch 26 Jahre nach den Verbrechen“.
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