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Royaler Beef in SpanienEs war einmal ein König

Ex-Politiker Miguel Angel Revilla streitet mit Ex-König Juan Carlos I. In der Bäckerei hat man sich für eine Seite entschieden.

König Juan Carlos 8. September 2024 in Madrid Foto: Mike Chicorro/imago

I n der Schlange vor der Bäckerei Panifiesto in der Madrider Altstadt hat Juan Pedro eine klare Meinung: „Revilla gefällt mir nicht. Er ist ein Populist, der dem Volke nach dem Mund redet, aber in diesem Falle hat er Mut bewiesen“. Der 53-Jährige ist Englischprofessor an der Madrider Universität Complutense. „In Großbritannien muss die Monarchie ihre Geschäfte und Einkünfte offenlegen, hier nicht“, sagt er.

Es ist eine Geschichte ganz nach dem Geschmack des Publikums. Gut gegen Böse – das Volk gegen die Mächtigen. Im spanischen TV bestimmt der letzte Skandal des 2014 abgedankten Altkönigs Juan Carlos I. seit Tagen die Klatschprogramme. Der in Abu Dhabi lebende 87-jährige Ex-Monarch und Vater des derzei­tigen Königs Felipe VI. hat einen der beliebtesten Politiker Spaniens auf 50.000 Euro Schadenersatz verklagt.

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Es geht um Miguel Angel Revilla, bis vor einem Jahr Regionalpräsident im nordspanischen Kantabrien, nach knapper Wahlniederlage nun im Ruhestand. Der Regionalist, der sich nie zu weit nach rechts oder nach links neigte, traf einmal mehr einen Nerv. Er sprach aus, was fast alle in Spanien wissen: Juan Carlos I. habe Steuern hinterzogen und besitze ein Vermögen im Ausland, dessen Herkunft alles andere als klar sei. Er sei den Ermittlungen entkommen, weil er als König unantastbar war. Für alle Fälle zog Juan Carlos 2020 nach Abu Dhabi, weit weg von der spanischen Presse und der Justiz.

„Er handelt sich um eine Person, die echte Verbrechen begangen hat. Zumindest, und das wissen wir mit Sicherheit, für ein Staatsoberhaupt unverzeihliche Steuervergehen“, sagte Revilla, und ließ damit anklingen, was ebenfalls alle in Spanien wissen. In jungen Jahren erschoss Juan Carlos seinen Bruder – Unfall, Absicht, seit Jahrzehnten wird spekuliert.

„Dreist und unverschämt“

Miguel Angel Revilla muss jetzt wegen übler Nachrede und Ehrverletzung vor Gericht. „Ich bin wütend, darüber, dass ein Unantastbarer einen normalen Bürger verklagt“, beschwert er sich seither und verlangt, dass Juan Carlos die Klage zurückzieht, nach Spanien kommt und sich bei der Bevölkerung für seine Vergehen entschuldigt.

Zurück in der Bäckereischlange geht es genau darum. „Eine Schande“ sei das Verhalten des „Emeritus“, wie Juan Carlos I. seit seiner Abdankung offiziell genannt wird, findet auch die 41-jährige Tontechnikerin Laura. „Was Revilla sagt, denken wir doch alle, bis auf ein paar aus der rechten Ecke vielleicht“, fügt sie hinzu.

„Juan Carlos ist so was von dreist und unverschämt“, schimpft Valentina und verweist auf die unzähligen Skandale, von Frauengeschichten über Elefantenjagd, mutmaßliche Korruption bis zu Steuerhinterziehung. „Von dunkelbraun zu schwarz, sagen wir in meinem Dorf, wenn wir eine solche Entwicklung beschreiben“, sagt die 70-jährige pensionierte Krankenschwester.

Dann findet sich doch noch jemand, der Juan Carlos in Schutz nimmt. „Revilla ist ein übler Populist“, sagt Fernando, ein 68-jähriger Rentner, der früher im Rechnungswesen arbeitete. „Juan Carlos war ein Schürzenjäger, daher kommen viele seiner Probleme“, fährt er fort.

Unbeliebte Monarchie

Und Paloma, 80 Jahre alt, pen­sio­nierte Journalistin, meint: „Schau, unter Diktator Franco sahen alle auf uns herab. Mit Juan Carlos I. und dem Übergang zur Demokratie änderte sich das.“ Korruption gebe es überall, das sei nichts, was nur den König betreffe.

Paloma und Fernando befinden sich nicht nur in der Bäckereischlange in der Minderheit. Das spanische öffentliche Radio RNE stellt jeden Nachmittag eine „Frage des Tages“. Zum Thema Ex-Politiker versus Ex-König versammelten sich 80 Prozent der Hörer, die sich via Social Media meldeten, hinter Miguel Angel Revilla.

Seit dem Abdanken von Juan Carlos I. hat die Monarchie so sehr an Popularität eingebüßt, dass das staatliche Meinungsforschungsinstitut bei seinen regelmäßigen Umfragen keine Beliebtheitswerte mehr veröffentlicht.

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Reiner Wandler
Auslandskorrespondent Spanien
Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.
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