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Rotkäppchen's Feuertanz

Im Biergarten der nach dem Kriege wiederaufgebauten Bierhalle steht das in wuchtiger Knorrigkeit, was der Straße einst den Namen gab: Kastanien. Die Rede ist vom Pratergarten und seinem Kulturhaus, das auch schon Kino war. Noch ist das sommerliche Refugium für Rentner, Blaskapellen und Quartalssäufer kommunal und trödelt darum behäbig durch den Kulturalltag.

Im Hinterhof, da wo einst Bockwurst, alte Quarktorte und magenschonender Rondo nebst einem würzigen halben Liter zur Saison an wackeligen Holzstühlen zufrieden verzehrt wurden, da also ist man nun im Abseits. Thomas hat sich hier eingenistet und die alte Garderobe, den verkeimten Tresen und das ganze Gerümpel mißmutiger Schmalspurgastronomie vor die Tür gestellt. Die Direktion des Praters, die ihn in Pacht nahm, zeigte sich generös und spendete joviale 330DM, was immerhin für die Spraydosen reichte, deren Inhalt sich nun an den Wänden und Stühlen befindet. Das neue Zielpublikum soll erheblich jünger sein als das bisherige, was für den Wirt aber kein Kehraus alter Kundschaften bedeutet, denn zum Sommer gibt es wieder Kioskbetrieb, was sicher die Eingeborenen erfreuen wird.

Zwei riesenhafte Räume warten im Abseits auf die Gäste. Der Tanzsaal, links, wird selten genutzt, im rechten spielt man Billard und steht am Tresen. Am Wochenende werden manchmal Bands eingeladen — so die Lokalmatadoren aus der Eberswalderstraße, »Das freie Orchester«, die ihr Instrumentarium nur über den Hof zu tragen brauchen.

Die Küche bewirtet mit Chilli con Carne, das so scharf ist, daß man sich schon an der Schüssel die Finger verbrennt, und Zaziki und manchmal auch mit was ganz Besonderem. Der französische Landwein ist ein guter Jahrgang, der rote Italiener zwar nicht handverlesen, dennoch eher lieblich als süß. Auch für die Bier- und die hard stuff-Trinker ist gesorgt.

Die Räume allerdings spenden immer noch das unerfreuliche Ambiente der Vorgeschichte und so recht will in die ausgesprühten Räume keine kuschelige Kneipenathmosphäre einziehen. Ein kleines Publikum hat sich dennoch schon etabliert und nutzt dankbar die Kombination von Durst und Spielwut (was in Ostberlin durchaus noch nicht selbstverständlich ist).

Zwar ist das Abseits nicht gerade leicht auszumachen, aber trotzdem sollte man abseits von der Kastanienallee die drei Schritte (oder vier?) über den Prater- Hof gehen, um das Abseits zu finden. Volker Handloik (Foto: Matthias Rummel)

TÄGLICHVON20BISOPENEND

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