Roths offener Brief: "Afghanistan gehört unsere Solidarität"
Grünen-Chefin Claudia Roth bittet Außenminister Rangin Spanta in einem Brief, bei den Grünen zu bleiben
Der Grünen-Kreisverband in Aachen, bei dem Außenminister Rangin Dadfar Spanta Mitglied ist, hat dessen Drohung eines Parteiaustritts als verständlich bezeichnet. "Ich kann seine Enttäuschung sehr gut nachvollziehen", sagte Geschäftsführer Jochen Luczak.
Robert Zion, der den Beschluss befördert hat, warf Spanta vor, sich "zum US-geführten War on Terror zu bekennen". Spanta hatte in der taz beklagt: "Die Grünen lassen uns allein."
Lieber Rangin, lieber Freund,
vielen Dank für Deine offenen Worte, geben sie mir doch eine Chance, den Beschluss vom Wochenende klarzustellen. Afghanistan ist in unseren Herzen.
Der Beschluss am Wochenende war eine Niederlage für die grüne Partei-und Fraktionsführung, aber er war keine Niederlage für eine streitbare grüne Partei und schon gar nicht für Afghanistan. Denn der Beschluss bekennt sich zur Verantwortung für Afghanistan und für ein deutsches Engagement.
Wir Grüne fragen uns, was kann deutsche Politik für Afghanistan leisten und wie können wir Druck auf die Bundesregierung ausüben. Wir fordern einen Strategiewechsel. Ja, Terroristen müssen bekämpft werden. Aber selbst hohe Militärs sagen uns, dass OEF und der "War on Terror" kontraproduktiv ist und auch ISAF gefährdet.
Der Polizeiaufbau geht kaum voran, wiewohl ich genau weiß, wie wichtig der Aufbau einer funktionierenden Polizei für das Land und gerade auch für die afghanischen Frauen ist. Statt auf diese Herausforderungen zu reagieren, hält die deutsche Regierung unkritisch an OEF fest und gibt viel Geld aus für einen Tornadoeinsatz, dessen Nutzen mehr als fraglich ist. Diese Politik kritisieren wir. Daher hat der Parteitag beschlossen, zur Priorität des zivilen Aufbaus und zur militärischen Assistenz durch ISAF Ja zu sagen und Nein zu OEF und zum Tornado-Einsatz. Er hat der Bundestagsfraktion auch empfohlen, das taktische und unredliche Manöver der Bundesregierung, das Mandat von ISAF und Tornado zusammen zu legen, in ihr Abstimmungsverhalten mit einzubeziehen. Denn dieses Manöver nimmt uns die Möglichkeit, in der Abstimmung zwischen ISAF und dem Tornado-Einsatz zu differenzieren.
Der Beschluss ist unser Versuch, die Bundesregierung unter Druck zu setzen, damit sie eine bessere Politik für Afghanistan betreibt. Jetzt können wir, lieber Rangin, darüber streiten, ob das taktisch richtig oder falsch ist. Falsch ist aber, dass wir unsolidarisch mit Afghanistan sind. Im Gegenteil, Afghanistan und Dir persönlich gehört unsere Solidarität.
Lieber Rangin, Du sagst, Du bist bei den Grünen eingetreten, weil Du die Friedensarbeit, Basisdemokratie und das Engagement für Minderheiten und Rechte von Muslimen schätzt. Daran hat sich nichts geändert. Daher bitte ich Dich, bleib uns verbunden - wir sind und bleiben Dir und den Menschen in Afghanistan verbunden. Herzliche Grüße, Deine Claudia
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken