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Rotgefärbte Seele

■ Roger Avary gibt in Killing Zoe vor, hartgesottenen Pulp zu machen

Roger Avary wird gern in einem Atemzug mit Regie-Wunderkind Quentin Tarantino genannt. Mit diesem hat er in einer Videothek in Los Angeles gearbeitet, wie dieser ist seine Bilderwelt vom französischen Film geprägt, ebenso von der Nouvelle Vague wie vom klassischen Film Noir eines Jean-Pierre Melville. Dennoch gibt es mehr Gegensätze als Überschneidungen.

Bei Tarantino stehen sich hochgerüstete Männer in unendlich langen Szenen gegenüber, und die Gewalt entlädt sich eher durch eine zufällige Geste, die Anspannung lösend. In Killing Zoe ist die Aufrüstung einseitig, dort wird ganz beiläufig, scheinbar im Vorbeigehen getötet. Vor allem aber agiert bei Tarantino eine reine Männergesellschaft, Frauen tauchen kaum auf; während in Killing Zoe July Delpy ein eigenständiger Part eingeräumt wird, der Widerpart zur männerbündischen „Gangsterbande“.

Der Amerikaner Zed (Eric Stoltz) kommt nach Paris, wo ihn die Postkartenaufnahmen aus dem Taxi mit den Einstellungen in seine Augen, die sich der Kamera anverwandeln, als Tourist ausweisen. Im Hotelzimmer bestellt er sich die Prostituierte und Bankangestellte Zoe, die sich – nach einem Fick in der Zeitlupe eines Jetlags mit dem dazwischengeschnittenen Nosferatu von Murnau – in Zed verliebt. Es hätten verwunschene Tage in Paris werden können, wenn da nicht sein Freund Eric (Jean-Hugues Anglade) hereinplatzen würde.

Der fiebrige Eric schmeißt die pute ohne viel Federlesens und ohne Klamotten heraus. Mit ihm kommt ein anderes Tempo in die Geschichte, die Geschwindigkeit eines wildwuchernden Drogenrausches. Denn Eric drängt den amerikanischen Freund, im großen Stil Heroin und was es sonst noch an bunten Pillen gibt einzuwerfen. Ganz nebenbei erzählt er, daß er Aids habe und der Coup, an dem sich Zed als Safe-Knacker beteiligt, bereits am nächsten, gewiß ordentlich verkaterten Tag stattfindet.

Daß das niemals die Geschichte eines eleganten Rififi wird, kann man den bedröhnten Gesichtern der Outlaws und ihrem Geschwafel über Wikinger und Dixieland leicht ablesen. Nicht umsonst hat Roger Avary auch die Kellerräume der Bank, die sie überfallen, in Rot einfärben lassen. Vielleicht ist das aber auch eine Hommage an Truffaut, der sich die Seele als ein rotes Zimmer vorstellte, in das man hinabsteigen muß. An dieser Stelle treffen sich Avary und Tarantino wieder. Beide geben vor, hartgesottenen „Pulp“ zu machen, verkleiden dies aber mit Anspielungen aus der Trickkiste des Kinos.

Volker Marquardt

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