: »Rotes Schaf« bei CDU oder Reps
■ Abgeordnetenhaussitzung: Senat hält Privatisierung der Ostberliner Baudirektion für rechtswidrig/ Momper erhält eine Stimme von der Opposition/ Mitzscherling prognostiziert hohe Arbeitslosigkeit
Rathaus Schöneberg. Der Senat von West-Berlin hält die vom Ministerrat der DDR beschlossene Privatisierung der Ostberliner Baudirektion für rechtswidrig. Finanzsenator Norbert Meisner sagte gestern in der Fragestunde des Abgeordnetenhauses, daß der Senat »alle Register gezogen« habe, um den Beschluß rückgängig zu machen. Der Senat habe unter anderem den DDR-Ministerpräsidenten aufgefordert, den Beschluß nicht zu vollziehen.
Auf die Frage nach den Konsequenzen der Privatisierung auf die städtebauliche Entwicklung Berlins sagte Meisner, daß die Einflußnahme der Stadt dann stark eingeschränkt sei. Wenn Berlin auf Planung, Arbeitsplatzinteressen und Wohnungsbau Einfluß nehmen wolle, sei das Land gezwungen, Grundstücke zu kaufen. Meisner äußerte die Vermutung, daß der Bundesfinanzminister über den Umweg Treuhand in »die Tasche des Landes« greifen wolle. Insgesamt gehe es um 250.000 Quadratmeter Fläche im Wert von einer Milliarde Mark.
Die Abgeordneten hatten auch über einen Mißtrauensantrag der Reps gegen den Regierenden Bürgermeister zu befinden. Momper erweise sich »zur Führung des Senats als unfähig«, argumentierten die Reps. Der Antrag wurde mit 72 zu 64 Stimmen abgelehnt. Damit gibt es ein »rotes Schaf« in den Reihen von CDU und »Republikanern«. Die Fraktionen von AL und SPD haben zusammen nur 71 Stimmen.
In einer aktuellen Stunde behandelten die Abgeordneten das von AL und SPD beantragte Thema: die Zukunft der Arbeitsplätze im öffentlichen und privaten Sektor in Berlin. Wirtschaftssenator Peter Mitzscherling rechnet damit, daß von den 2,2 Millionen Arbeitnehmern in Berlin und den angrenzenden Kreisen jeder dritte bis vierte in den nächsten zwei Jahren zumindest vorübergehend arbeitslos sein wird. Die Fraktionen forderten einheitlich Gelder vom Bund, da Berlin die Finanzierung der nötigen Infrastrukturmaßnahmen nicht allein tragen könne. Zum Beispiel dürfe die Berlinförderung nicht abrupt abgeschafft werden. Berlin habe, so Mitzscherling, für potentielle Investoren immer noch Standortnachteile. So sei vor allem das Umland alles andere als ein »blühender Wirtschaftsraum«. Mit Geld sei es aber nicht getan. Wichtig sei die gezielte Qualifizierung der Menschen in Ost-Berlin und im Umland.
Die Abgeordneten berieten außerdem in erster Lesung die Entwürfe für ein Verfassungsgerichtshof-Gesetz und das Landes-Antidiskriminierungsgesetz. Während die Fraktionen beim Verfassungsgerichtshof- Gesetz ähnliche Vorstellungen haben, lehnt die CDU den von AL und SPD eingebrachten Entwurf zum Antidiskriminierungsgesetz ab. Beide Gesetzentwürfe wurden in die zuständigen Ausschüsse verwiesen.
Während der Sitzung erklärte Walter Momper, daß der Vertrag über die äußeren Bedingungen der deutschen Einheit »voll und ganz den Interessen Berlins« entspräche. Entscheidend sei die Suspendierung der alliierten Vorbehaltsrechte ab dem 3. Oktober. Damit erhalte Berlin seine volle Souveränität. chrib
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