: Roter Ring am Pleitegeier
■ „Kreditgeschädigte“ haben Verein gegen Firmensterben gegründet
Sie treffen sich abends im Landgasthof — nomen est omen — „Letzter Heller“ bei Hannoversch-Münden: Pleite gegangene Firmeninhaber oder andere, die befürchten, daß ihnen das Wasser bald buchstäblich bis zum Halse steht. Teilweise haben sie ihre einstigen Statussymbole, die großen Limousinen, noch vor der Tür geparkt. Kleinlaut begannen sie die ersten Gespräche. Doch inzwischen machen sie ihrem Unmut lautstark Luft und schimpfen zornig auf die deutschen Banken und Sparkassen.
Diese würden die Konjunkturabkühlung und ihre eigene Macht ausspielen, um sich das Eigentum ihrer einstigen Kunden „für einen Appel und ein Ei unter den Nagel zu reißen“. Am Ende der ersten Versammlung hatte das Häuflein von 20 Männern und Frauen einen Verein gegründet: „Roter Ring — Solidargemeinschaft der Kreditgeschädigten, Landesverband Hessen/Niedersachsen“. Vereinsanwalt Rolf Gabel: „Dies ist ein Verein von Geschädigten, die sich durch das Handeln von Banken, Sparkassen und Kreditinstituten und deren Vollstreckungsgehilfen in sittenwidriger Weise um ihr Eigentum gebracht sehen. Wir wollen die Betroffenen beraten und ihre soziale Integration wiederherstellen.“
Die Prognosen für den Verein stehen nicht schlecht: So wird von den Kammern und Verbänden allein in diesem Jahr in Deutschland bei einer Zunahme von zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahr mit 15 000 Insolvenzen gerechnet. Hauptgewinner seien die Banken, die sich schon bei der Kreditvergabe Immobilien und Grundstücke überschreiben ließen. Verlierer seien die ehemaligen Besitzer und vor allem die Arbeitnehmer, glauben die Vereinsmitglieder zu wissen.
„Den tröstenden Versprechungen der Sparkassen und Bankdirektoren ist nicht immer zu trauen“, meint Vereinssprecher Neubauer. Viele Banken und Sparkassen dächten nur daran, wie sie aus den angeschlagenen Betrieben für ihre Institute Kapital schlagen könnten, sagt auch Rolf Gabel vom „Roten Ring“: „Die Milliarden, die die Banken im Osten in den Sand gesetzt haben, holen sie sich jetzt im Inland zurück“.
Der Verein habe bereits zahlreiche Beispiele für vermeintlich von den Kreditinstituten ruinierten Unternehmen. „Wir werden den Gerichten und der Bankenaufsicht künftig viel Arbeit machen“, verspricht die Solidargemeinschaft. Werner H.T. Fuhrmann/dpa
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