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Rote Karte für ausländische Abgeordnete

■ Jeder zehnte Einwohner Berlins kann am Urnengang nächsten Sonntag nicht teilnehmen

Berlin. Etwa jeder zehnte Einwohner Berlins wird bei den Wahlen zu den 23 Bezirksverordnetenversammlungen am Sonntag der Wahlurne fernbleiben müssen. Betroffen sind davon alle in der Bundeshauptstadt lebenden Ausländer ohne deutschen Paß, da nach den rechtlichen Bestimmungen nur »Deutsche im Sinne des Grundgesetzes« ein aktives und passives Wahlrecht haben.

Auf den Urnengang müssen damit nach den Bezirkswahlen vom Mai 1990 auch wieder die im Ostteil lebenden ausländischen Bürger verzichten, darunter rund 4.000, die dort gegenwärtig noch auf der Grundlage von Regierungsabkommen arbeiten oder ausgebildet werden. Mit der deutschen Vereinigung wurde das per Volkskammerbeschluß vom 3. März 1989 gewährte kommunale Wahlrecht ad acta gelegt. Ausländische Bürger hatten am Votum zu Kreistagen, Stadtverordnetenversammlungen, Stadtbezirksversammlungen und Gemeindevertretungen teilnehmen können und konnten gewählt werden, wenn sie länger als sechs Monate in der DDR gelebt hatten. Weitere Bedingungen waren der ständige Wohnsitz oder eine Aufenthaltsgenehmigung aufgrund eines zeitlich begrenzten Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses. Mit dem kommenden Sonntag erhalten zugleich die zunächst in den Ost-Bezirksparlamenten belassenen ausländischen Abgeordneten die rote Karte. So haben die mit PDS-Mandat in Hellersdorf, Hohenschönhausen und Weißensee Gewählten ohne deutschen Paß keine Chance, sich erneut dem Votum zu stellen.

Die Grünen/AL wollen mit der Nominierung von zehn ImmigrantInnen mit deutscher Staatsangehörigkeit im Westteil der Stadt nach Aussage des Sprechers des geschäftsführenden Ausschusses, Jochen Esser, ein »politisches Zeichen gegen Ausländerhaß« setzen. Zugleich forderte er die Einführung des aktiven und passiven kommunalen Ausländerwahlrechtes, da mit der gegenwärtigen Regelung allein ein Drittel der Kreuzberger Bevölkerung nicht an der Wahl teilnehmen könne. Als Signal in Richtung kommunales Ausländerwahlrecht wollte auch die PDS ihre »bewußte Entscheidung« verstanden wissen, die Schweizerin Silvia Kalemba für Wilmersdorf zu nominieren, so die PDS- Vizechefin Petra Pau. Wie nicht anders zu erwarten, habe der Bezirkswahlausschuß die Kandidatur zwar abgelehnt, aber damit sei das Problem in die Öffentlichkeit getragen worden. Auch der Wahlkampfkoordinator von Bündis 90, Ulf Dahlmann, sieht bei der Bindung der Stimmabgabe an die Staatsangehörigkeit Rechte verletzt. Wer in Berlin lebt und arbeitet, müsse auch wählen dürfen. Christina Schultze/adn

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