■ Rote-Hände-Kampagne: Steffen Heitmann rückt vom Kanzler ab: Es brennt lichterloh
Der sächsische Justizminister Steffen Heitmann bezeichnet die Rote-Hände-Kampagne der Bonner CDU in der Wirkung als „verheerend“. Deshalb werde sich die sächsische CDU in ihrer Auseinandersetzung mit der PDS vom Bundeswahlkampf deutlich abkoppeln. Vergleichbare Äußerungen gab es zwar schon vorher von CDU-Politikern aus dem Osten. Allerdings läßt Heitmanns Urteil allein durch den Wortlaut aufhorchen. „Verheerend“, das klingt alarmistischer als die bisher behutsam vorgetragenen Umschreibungen des Wortes kontraproduktiv. Außerdem gilt Heitmann als jemand, der dem Kanzler besonders nahesteht, immerhin war er vor vier Jahren Helmut Kohls erste Wahl für das Amt des Bundespräsidenten. Wenn jemand wie er alle taktischen Solidaritäten fahren läßt, muß es wirklich brennen.
Und es brennt, scheint es, lichterloh. Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa und bislang als nachdrücklicher Hiwi von Rot-Grün nicht auffällig geworden, kommt in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift Die Woche zu dem Resultat, Helmut Kohl könne in den verbleibenden hundert Tagen den Trend nicht mehr wenden, die verbleibende Zeit, die schlechten Werte zu drehen, sei zu knapp. Er vergleicht die demoskopischen Kurven von heute mit denen vor vier Jahren. Damals hatten sich Mitte Juni die Werte der beiden Großparteien erstmals egalisiert, um in der Folge die CDU vor die SPD zu hieven. Diesmal rangiert die SPD um sieben unerschütterlich stabile Punkte vor der Kohl-Partei, trotz Parteitag in Bremen, geschönten Wirtschaftsdaten und ständiger Kohl-Präsenz in den Medien.
„Vor vier Jahren war die letzte Bundestagswahl Mitte Juni so gut wie entschieden“, schreibt Güllner. Inzwischen glaubt selbst die Hälfte der CDU-Mitglieder nicht mehr an einen Sieg und rechnet mit einem Kanzler Schröder. In solcher Situation kann es nur noch um Schadensbegrenzung gehen. Präventiv wird schon mal die Schuldfrage geklärt. Da die CDU in den meisten neuen Bundesländern zur drittstärksten Partei nach SPD und PDS herabzusinken droht, sieht die einzig leidlich sichere CDU-Bastion dortselbst sich genötigt, ihre Stellung verteidigen, notfalls in Widerspruch zu dem eigenen Feldherrn.
Nichts ist erfolgloser als der Mißerfolg. Das Zittern der CDU-Hinterbänkler um den Erhalt von Mandaten und Pfründen bietet ein hübsches Bild. Bürgerliche Demokratie kann manchmal wirklich erfrischend sein. Rolf Schneider
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