■ Kommentar: Rote Generation X
Der Generationswechsel, das wissen alle alten Kulturvölker, ist eine delikate Angelegenheit und gehört mit Übergangsriten unter Kontrolle gebracht. Auch die Rathaus-SPD will nicht freiwillig am Jungbrunnen laben. Neue Gesichter und Ideen könnten die bewährten Stammesriten durcheinanderbringen. Und wer will schon Reformen, Umbruch oder gar JungwählerInnen?
Auch der eigene Nachwuchs muß solange bei den Jusos bleiben, bis er aus dem Gröbsten raus ist, Begeisterung und parteiumstürzlerische Ideen abgeschliffen sind. Jenseits der magischen 50 – das ist die sozialdemokratische Generation X. Wofür sie steht – außer für „Kontinuität“ –, weiß keiner so genau.
Die neue Fraktions-Chefin Kiausch ist eine routinierte Produzentin verbaler Luftblasen. Sie stehe für das Regierungsprogramm, überraschte sie die Öffentlichkeit. Wer will sich denn in Krisenzeiten gleich zu neuen Konzepten hinreißen lassen?
Einen der „jungen“ Linken, Walter Zuckerer oder wenigstens Dorothee Stapelfeldt, zu wählen, hat sich die Fraktion offenbar nicht getraut. Denn das hätte das empfindliche flügelschlagende Binnengefüge erschüttert. Wenigstens mit einer Frau wollte mann sich einen progressiven Anstrich geben. Doch eine Chefin macht noch keine moderne Partei. Ohne den Willen zur Veränderung wird die SPD mit dem verstaubten Charme des „Weiter so!“ in den Wahlkampf ziehen. Nur mit den Voschi-Amtsinhaber-Pfunden wird man wuchern können.
Sollte es dann doch einmal zu Rot-Grün kommen, wird die lern-entwöhnte Sozialdemokratie mit den Reform-Hausaufgaben ganz von vorne anfangen müssen. Silke Mertins
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