piwik no script img

Rotbuchenschändung teuer

■ Kettensägen-Massaker kostet 750 Mark

“Da tut man schonmal eine gute Tat für Sebaldsbrück, und schon muß man dafür bezahlen.“ Die Welt ist ungerecht, da ist sich Ludwig D. völlig sicher. Drei Mann sitzen auf der Anklagebank, wie frisch vom Tresen gemeißelt, dabei hatte D. doch nur den Straßenverkehr gerettet, weil nämlich: „Die Buche vor meinem Haus, die hat die Sicht in die Nebenstraße verdeckt, also die unteren Äste. Und die mußten ab.“ Und weil die abmußten haben D. und Klaus B. eines schönen Samstagsmorgens die Motorsäge angeworfen und ratzfatz Stücker acht dicke Äste abgesägt, ohne Erlaubnis, und das sollte sie teuer zu stehen kommen. Denn ein paar Wochen später flatterten die Bußgeldbescheide ins Haus: B. und der Nachbar Werner M., der beim Wegräumen geholfen hatte sollten je 500 Mark berappen, und Ludwig D., Hauptverantwortlicher des Sebaldsbrücker Kettensägenmassaker, sollte knapp 2.000 Mark bezahlen. Das sahen die Herren überhaupt nicht ein, so kam es gestern zur Verhandlung.

Ein paar Jahre sei das schon her, da sei er von einem Polizisten angesprochen worden, erzählt D., die Äste von der Buche, die hingen viel zu tief, dann aber sei die Geschichte verschlummert. Bis in den Januar 92, da sollte es passieren. Naja, eine Genehmigung von den Baumschützern beim Umweltsenator, die habe er halt vergessen.

Die Kettensäge zu besorgen, das war das Geringste, weil: „Eine Kettensäge, die hat doch in Sebaldsbrück jeder im Keller.“ „Und wer hat gesägt“, will der Richter wissen. „Ja, wer hat gesägt – also ich nicht, ich bin ja schwerbehindert.“ „Aber Sie werden doch wissen, wer da gesägt hat.“ „Na ja, es war ja schlechtes Wetter und drinnen ist wärmer. Also von alleine runtergefallen werden die Äste nicht sein.“ Und so geht es hin und her, bis endlich klar ist, daß der Mieter Klaus B. die Kettensäge geführt hat.

Das Holz haben die Herren dann kleingemacht, das sei in nullkommanix weg gewesen, „was meinen Sie, wieviele Leute einen Kamin haben. Als ich jetzt eine Eiche abgesägt habe, da hat sogar die Polizei gefragt, ob sie das Holz haben könnte.“ Sagt der Richter: „Holz ist knapp in Sebaldsbrück, was.“ Zumindest einer Person aus der Nachbarschaft scheint die Geschichte aber nicht besonders gefallen haben. Beim Umweltsenator ging eine Beschwerde ein, und der berechnete auch gleich das Bußgeld. Das geht nach Stammumfang des Baumes und der Äste und so kamen für D. knappe 2.000 Mark zusammen. „Aber der Polizist hatte doch damals gesagt...“, jammert D. Also läßt sich der Staatsanwalt breitschlagen: Das Verfahren gegen M. wird eingestellt, weil der beim Sägen nicht dabeiwar bei den anderen wird das Bußgeld halbiert. „Sie müßten sich den Baum wirklich mal angucken“, sagt D. „Och“, sagt der Staatsanwalt, „ich hatte mal so ein Verfahren in Oberneuland, da haben wir zehn Tage verhandelt mit allem drum und dran.“ Da blickt der Richter tief in Richtung Anklagebank: „100 Mark für B. und 750 für D.“ Und da wird D. schwach: „Nützt ja nix.“ Und so endet das Verfahren doch noch. Blieb nur eine böse Vorahnung beim Richter: „Wenn Sie sagen, jeder hat so eine Säge im Haus, dann werd ich unruhig.“ J.G.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen