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Rot-weiß karierter Nasenstupser

■ Wenn der Vater mit dem Sohne: Die Familienproduktion Kolya von Jan und Zdenek Sverak

Ein heimlicher Blick. Neugier, Zaudern, bald Lust, schließlich eine Unverschämtheit. Ein reines Herz kennt keine Diskretion. Deswegen darf der Cellist Frantisek Louka (Zdenek Sverák) auch seinen Bogen der Solistin bei einem Beerdigungskonzert einfach unter den Rock schieben, ohne dabei etwas von seinem unschuldigen Teddybärcharme oder der gelassenen Erotik eines ergrauten Schürzenjägers einzubüßen. Ein Gluckser der Überraschten, die ganze Pietät verrutscht. Und alle in die Liedzeile „Dein Stecken und Stab trösten mich“geklebte Inbrunst gipfelt in einem Quietschen, das etwa so klingt, als sei jemand versehentlich auf einen Hamster getreten.

Kolya, der als bester ausländischer Film mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, erzählt von der befristeten wie unverhofften Vaterschaft des Cellisten Frantisek Louka, die ihn so will es die wenig subtile Moral der Geschichte, Verantwortung und Verbindlichkeit lehren soll. Um sich endlich einen Trabant leisten zu können, willigt der Junggeselle aus hedonistischer Überzeugung in die Scheinehe mit einer Russin ein. Die legt dem gekauften Bräutigam nach ihrer Flucht in den Westen ihren fünfjährigen Sohn Kolya wie ein Kuckucksei des östlichen Big Brothers ins Nest.

Ein risikoloser Plot. Anrührend, gefällig, absehbar. Und erwiesen sich Regisseur Jan Sverak und sein Kameramann Vladimir Smutny nicht als Epiker der kleinen Momente, wäre Kolya nur ein weiterer Film über elterliche Freuden und Kinder, als geradezu notwendige Komplettierung erwachsenen Wohlbefindens. Solidarisch zu seinem Protagonisten zelebriert auch die Kamera diesen „gewissen“Blick des Cellisten und wird schließlich selbst zur Kupplerin. Ein taktklopfender Fuß in einem Sockenrudiment, eine abgesprungene Teekesselflöte, die vom Cellistenfuß zum Sängerinnenpumps rollt. Der Anfang einer Liebesgeschichte. Und manchmal schaffen die Filmbilder es, den stabilen Boden einer kleinlichen Realität zu verlassen. Wenn Kolya, vom Interimsvater zum Bad für die Dauer einer freizügigen Cellostunde nebenan verbannt, den Duschkopf ans Ohr hält, um mit seiner toten Babuschka zu telefonieren, schlägt das jeden heimwehgebeutelten E.T..

Kolya ist selbst eine Vater-Sohn-Produktion, Hauptfigur und Drehbuchautor Zdenek Sverak spielt unter der Regie seines Sohnes. Die Rolle des wegen subversiver Umtriebe aus der Philharmonie zur Beerdigungskapelle verbannten Musikers hat er sich nicht ganz uneitel auf den Leib geschrieben, protestierte 1968 auch Zdenek Sverak gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings durch die panzerbewaffnete russische Sprachlosigkeit. Sverak erhielt Berufsverbot. Doch wie der tschechische Schauspieler seine Vergangenheit mit seinem versöhnlichen Grundton umarmt, richtet sich auch Kolya in rot-weiß karierter Gemütlichkeit ein, die in ihren Sahnekuchen-Momenten an die Arglosigkeit eines Heinz-Rühmann-Films denken läßt.

Mit den Trümmern im Privaten ist beim Cellisten Louka längst jede Auflehnung verschwunden. Wenn er Kolya unbeholfen in seine Strickjacke stopft und ihm dazu ein „na mein kleiner sozialistischer Aggresor“wie einen Nasenstupser versetzt, ist das schon die ganze Bitterkeit. Und am Ende ist das Glück der Selbstgenügsamkeit, mit einer neuen Lebenserfahrung im Kaffeesatz, doch ganz leicht zu haben. Birgit Glombitza

Abaton, Holi, Streits

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