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Rot-rot-grüne DenkwerkstättenVorbild Norwegen

Linker Schulterschluss: Politiker von SPD, Linke und Grünen haben ein Think Tank für neue Konzepte gegen den "Neoliberalismus" gegründet.

Die treibenden Kräfte hinter der ISM-Gründung: Andrea Ypsilanti und Hermann Scheer. Bild: dpa

BERLIN taz | Im rot-rot-grünen Spektrum tut sich etwas. Vor einer Woche präsentierten junge Bundestagsabgeordnete aus SPD, Bündnisgrünen und Linkspartei eine so genannte Oslo-Initative - angelehnt an die rot-rot-grüne Regierung in Norwegen. Am Sonntag wird in Berlin zudem das "Institut Solidarische Moderne" (ISM) gegründet. Die Initative ist nicht so stark wie die Oslo-Gruppe auf die Bundestagsfraktionen justiert.

Der Verein, der das ISM trägt, will vielmehr Wissenschaftler wie Stephan Lessnich und den Sozialrichter Jürgen Borchert einbinden. So soll, wie in einem klassischen "think tank", ein zielgerichteter Dialog zwischen Theorie und Praxis angeschoben werden. Doch die politischen Richtungen der beiden Gruppen sind faktisch die gleichen. Man will hier wie dort einen "Gegenentwurf zum Neoliberalismus" entwickeln.

Die treibenden Kräfte der ISM-Gründung sind die SPD-Politiker Hermann Scheer und Andrea Ypsilanti, der grüne Europaparlamentarier Sven Giegold und Katja Kipping, Vizechefin der Linkspartei. Unterstützt wird die ISM unter anderem von Anke Martiny, Juso-Chefin Franziska Drohsel, dem Rechtsexperten der Linksfraktion Wolfgang Neskovic und dem grünen Parteirat Arvid Bell.

In dem Entwurf für den Gründungsaufruf, der der taz vorliegt, heißt es, dass das ISM eine "Denkwerkstatt" sein soll, die "praktikable Antworten" sucht. Die traditionelle Linke des Industriekapitalismus habe die ökologische Krise nicht ausreichend begriffen und sei zu stark auf "Erwerbsarbeit" focussiert. Die neue Linke müsse sich auch um "ökologische Gerechtigkeit" kümmern und fragen wie man ohne "soziale Brüche" Abschied vom "quantitativem Wachstum" nehmen kann.

Eine zentrale Rolle sollen die neuen sozialen Bewegungen im Gefolge von Öko-, Friedens-, und Frauenbewegung spielen. Das Institut wird von den Vereinsmitgliedern finanziert. Für 2010 sind zwei Tagungen anvisiert.

Der grüne Jung-Parlamentarierer Sven-Christian Kindler (24), der Mitglied in beiden Initativen ist, betont, dass es sich keinesfalls "um Konkurrenzgründungen handelt."

Klar sei, so Kindler, dass es nicht "reicht, 2013 eine rot-rot-grüne Regierung aus dem Hut zu zaubern". Es gehe vielmehr darum, jetzt für den sozial-ökologischen Umbau zu werben und gesellschaftliche Bündnisse dafür zu schmieden.

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15 Kommentare

 / 
  • MS
    Markus S

    Man sollte nicht vergessen dass Professor Fischer-Lescano ebenfall mit im Boot ist. Zumindest eines hat das ISM schon erreicht, den zu Guttenberg aus den Weg zu räumen. Somit wird es leichter für rot-rot-grün.

  • UN
    Uwe-Jürgen Ness

    Macht ist nicht geil -

    Nicht erst die Tatsache, dass die NRW-Grünen eine Koalition mit der CDU nicht ausdrücklich ausgeschlossen haben, sondern auch die Koalitionen im Saarland und in Hamburg machen deutlich, dass die politische Linke in Deutschland in einem strategischen Dilemma steckt: Längst nicht alles, was sich selbst das Etikett links aufklebt trägt, verdient dieses auch im Sinne einer konsequent antimilitaristischen und antifaschistischen Politik, welche zudem die kapitalistische Produktionsweise wegen ihren Auswirkungen auf die Menschen hier und in der sog. Dritten Welt sowie auf die Umwelt hinterfragt.

    Die Grünen sind es leid, die Oppositionsbänke zu drücken, sie sind geradezu geil auf Macht. Macht ist für sie längst per se ein Wert, so deutlich wie in der vergangenen Woche hat Renate Künast es nach Außen hin kaum jemals zuvor ausgedrückt und dafür nehmen die Grünen so ziemlich alles in Kauf: Dass sie etwa einer saarländischen Politmafia an die Macht verhelfen und selbst Teil dieser Strukturen sind. Dass sie in Hamburg genau die beiden Kröten schlucken, nämlich das Kohlkraftwerk Moorburg und die Elbvertiefung, wogegen sie zuvor Wahlkampf gemacht hatten. Dass sie ihre einst antikapitalistische, weil systemtransformierende Umweltpolitik („ökologischer Umbau der Industriegesellschaft“) auf zwei Punkte, auf die sie am Ende wiederum keinen Pfifferling mehr geben, zusammengestrichen hatten, spricht Bände. Genauso verhält es sich mit allen anderen politischen Inhalten. Das grüne Prinzip liegt darin, dass man keine Prinzipien mehr kennt, wenn sie der Macht entgegenstehen. Programmatik mutiert zur substanzlosen Sonntagsrhetorik für Parteitage.

    Irgendwie scheint bei der ganzen Crossover-Geschichte unter den Tisch zu fallen, dass die Grünen spätestens seit dem Kosovo-Krieg, den Hartz-IV-Gesetzen, der Agenda 2010, dem Afghanistan-Einsatz etc. genauso wie die SPD alles andere als eine linke oder alternative Politik gemacht haben. Im Gegenteil: Es war ausgerechnet eine rot-grüne Regierung, welche dieses Land zum ersten Mal seit 1945 in Kriege geführt hat. Nur unter rot-grün war das Tabu zu brechen, dass es keine bewaffneten Kampfeinsätze der Bundeswehr außerhalb des NATO-Gebiets geben sollte. Hätte eine CDUCSUFDP-Regierung dies getan, wäre ihr ein Sturm der Empörung entgegen gekommen. Es musste schon von Fischer, Fücks und Cohn-Bendit der Verweis auf die Menschenrechte und der dummdreiste Vergleich mit Auschwitz sein, um die ehemals pazifistische Partei zur Kriegspartei zu machen.

    Macht um der Macht willen, stellt für eine emanzipatorische Politik keinen Wert an sich dar. Und: Man hat auch keine Verpflichtung, in eine Regierung zu gehen, nur weil man für ein Parlament kandidiert. Insofern erübrigt sich für mich ein Crossover-Geschwätz genau bis zu dem Zeitpunkt, an dem Grüne und SPD endlich beginnen, eine glaubwürdige Politik zu formulieren, welche sich von der etablierten Einheitssoße der anderen Parteien substanziell unterscheidet. Das ist jedoch die Bedingung für einen Diskurs, nicht das Ergebnis.

  • H
    Hainer

    Na toll: Neokommunisten gegen Neoliberale. So ein Institut braucht die Welt nicht.

    Sogar Franz Alt hat sich von denen um den Finger wickeln lassen.

  • T
    ThaFaker

    Über einige Kommentare muss ich mich schon allerdings wundern. Ich meine, bei der Oslo-Initative handelt es sich doch, wenn ich dies richtig gelesen habe um junge linke Bundestagsabgeordnete der drei Parteien und bei dem ISM um Personen, denen man wahrlich nicht die Zugehörigkeit zum neoliberalen Spektrum nach sagen kann. Solche linken, frischen Initiativen die Alternativen, Perspektiven und Visionen jenseits des neoliberalen Palavers entwickeln, sind genau das, was dem linken Spektrum seit Jahren fehlt.

     

    Wenn man mal wirklich genauer hinschaut, bietet im Moment weder die deutsche Sozialdemokratie, noch die „Linke“ oder die Grünen akzeptable Zukunftsmodelle an, wo Mensch bzw. die Gesellschaft in ihrer Gesamtheit im Mittelpunkt steht. Jeder bedient nur sein eigenes Klientel.

  • L
    Lichtgestalt

    Vorsicht ist geboten:

     

    Bei SPD und Grünen sind nach wie vor die SchröFi-Seilschaften am Ruder: SiggiSorglos, Steinmeier und Özdemir sind stramme Hatzianer.

    Dass gerade die SPD nicht rational tickt, zeigte die frenetische Steinmeier-Feierei am Wahlabend. Da müsste erstmal das Personal komplett ausgewechselt werden, wie in der SED-PDS 1989.

     

    Und dort, wo die CDU (nebst FDP) abgewählt wurden, reißen SPD (Thüringen) oder Grüne (Saar) mit dem Hintern ein, was die Wähler aufgebaut haben.

    Von den möglichen Wechseln in Hessen & Hamburg gar nicht zu reden...

     

    Wo auch die LINKE ins neoliberale Lager überlaufen, verliert auch sie - völlig zurecht!

     

    Wenn eine solche Konstellation nur alten Wein in neue Schläuche gießt, werden - wie schon in Sachsen oder McPomm bald GANZ ANDERE Parteien die Wähler einsammeln...

  • MB
    M. Baur

    Wie soll man das jetzt verstehen? Andrea Ypsilanti als treibende Kraft für eine rot-rot-grüne Regierung? Die Andrea Ypsilanti, die im Vorfeld des Hessen-Wahlkampfs 2008 jedwede Zusammenarbeit mit der Linken ausgeschlossen und damit ein wahres Fiasko ausgelöst hatte? Hat sie sich nun um 180 Grad gedreht, oder war das damals Befehl von oben? Die Frage ist doch, hat Frau Ypsilanti wirklich das Rückgrat für dieses Ziel oder ist sie wieder mal das Fähnchen im Wind des Schlingerkurses der SPD?

  • RB
    Roland Borch

    Ich finde diese Initiative gut und richtig. Es wird auch langsam Zeit, dass links denkende Mehschen ihr Parteiengezänk hinter sich lassen.

     

    Eine Frage noch: Wann und wo findet die Gründungsveranstaltung statt. Vielleicht weiß das jemand und teilt es hier im Forum mit ?

  • H
    hanfbauer

    na endlich regt sich was, auch abseits der üblichen kungelrunden! glaube zwar nicht, dass der rechte flügel der spd genügend geistige flexibilität besitzt um bereits bei der nächsten bundestagswahl eine realistische alternative möglich zu machen aber wenn die debatte jetzt ernsthaft beginnt dann könnte es vielleicht in 8 jahren klappen.

    die hoffnung stirbt zuletzt...

  • H
    HartmutK

    Schoen, das sich was tut ....

    Aber die Initiativen leiden unter dem Makel, dass ihre Hauptpersonen fuer das, was sie kritisieren, mitverantwortlich sind. Ob SPD, Gruene, Linke - da wo sie das Sagen haben, wurde und wird neoliberale Politik gemacht.

    Schwer zu glauben, dass sie ihren Sinneswandel ernst meinen; es folgt doch wohl nur dem altbekannten Muster: in der Opposition kritisch, links, fuer neue Ideen aufgeschlossen; werden sie dann gewaehlt, gibt's Schroeder/Fischer II.

    Die Wahl des Namens Oslo ist da vielleicht Programm: auch die hiesige Regierung ist dafuer bekannt, 'linke' Rhetorik zu pflegen und gleichzeitig eine neoliberale Politik durchzusetzen (auch wenn das aufgrund norwegischer Besonderheiten nicht so zuegig klappt wie in D).

  • AL
    alte Linke

    Endlich, endlich, erwacht die SPD aus der Koalitionsstarre!

     

    Aus Gründen der Demokratie-Hygiene sollte die Bundesratsmehrheit von Schwarz-Gelb bei der NRW-Landtagswahl gebrochen werden.

    Den Menschen in NRW muß die Strategie klar werden, warum ein Sieg der CDU schädlich für Deutschland ist.

    Siehe Datteln, Umweltgesetze werden "angepaßt" gegen die Bürger. oder Vertragsbruch: Ausstieg aus dem Atomausstieg. Scheitern verbindlicher Finanzaufsicht und Rückforderung der Unterstützungsmilliarden an die Banken.

    Wie ignorant kann "Bürger" eigentlich sein - und trotzdem nochmals die Lobbyisten der Krisengewinnler zu wählen?

  • W
    Wolfgar

    Das lässt ja Hoffnung keimen.

    Von Rot Grün haben wir Hartz4 bekommen.

    Ich denke von RotRotGrün gibts dann Hartz5 mit 0 € Jobs.

    CDU ist gegen Mindestlohn, SPD will einen Mindestlohn der so niedrig ist, das sich nichts ändert.

    Schön das man wählen kann.

    Ich bin fertig mit unserer Demokratie.

  • A
    Andi

    Es ist interressant, dass man hier in Italien jahrzehntelang mit allen Mitteln versucht hat, den amerikanischen Bipolarismus in der Parteienlandschaft einzuführen und in Deutschland, wo das nie das Ziel war, scheint es ungewollt darauf hinaufzulaufen.

  • X
    XChainsawX

    Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich ... mal sehen was da auf die Beine gestellt wird. Ob nun wirklich Alternativen zum Neoliberalismus entwickelt werden oder doch nur wieder Reformen zur Symptombekämpfung herauskommen, werden wir sehen !

    Wenn Grüne und SPD mit im "sozialen Boot" sitzen kann ich mir die Segelrichtung schon fast denken ...

  • T
    t-claudius

    Es macht Hoffnung, zu hören, daß sich im "linken Spektrum" auch mal etwas anderes tut, als parteipolitisches Hickhack. Vielleicht klappt es ja doch, daß während Merkel mit ihrem ewig gestrigen Schwarz-Gelb-Retro vor sich hin stümpert, sich auf der anderen Seite wirklich einmal innovative, zukunftsweisende Ideen und echte Alternativen für die dringend nötige Erneuerung der Gesellschaft entwickeln können. Jedenfalls wäre dies eine Vorraussetzung dafür, daß das linke Lager bei Wahlen in Zukunft noch Chancen hat.

  • CK
    Caroline Kaiser

    Ist denn heute schon der 1.April ?

     

    Finanzmarktliberalisierung, Hartz I-IV, Agenda 2010, Ausgliederung von immer mehr Leistungen der gesetzlichen Krankenkasse, usw.

     

    Diese neoliberalen Segnungen wurden von rot/grün durchgesetzt. Weshalb wollen zwei neoliberale Parteien Konzepte gegen sich selbst entwerfen ?

     

    Da kann ich der norwegischen Fortschrittspartei für die nächste Wahl nur viel Glück wünschen.