: Rot-grün in Bonn mit Schröder?
■ „Reifeprüfung“: Niedersächsischer Ministerpräsident empfiehlt sich für höhere Aufgaben
Die letzten Seiten weisen den Weg: „Basiswissen für Bonn“ hat Gerhard Schröder den Schlußteil seines Erstlingswerks betitelt. Dort gibt er die Marschrichtung an.
Schröders Erstlingswerk:
„Die SPD läßt sich zu sehr von
der Bundesregierung treiben“
Er kritisiert Parteichef Björn Engholm: Die SPD-Opposition lasse sich zu sehr von der Bundesregierung treiben. Ebenso freimütig proklamiert der Ministerpräsident seine rot-grüne Koalition in Niedersachsen als Muster für Bonn: Dies sei „die beste und am ehesten realisierbare“ Alternative zur jetzigen Bonner Koalition.
„Reifeprüfung“ heißt das Buch im roten Leinen-Einband. Eines steht nicht darin: daß Schröder sich selbst gut als Kanzler einer rot-grünen Bundesregierung vorstellen kann. Offiziell wird der 48 Jahre alte Sozialdemokrat dies heute wohl dementieren, wenn er das Buch zusammen mit dem Co-Autor, dem Journalisten Reinhard Hesse, vorstellt. Glauben wird ihm das kaum jemand. Doch zwischen den Zeilen der 224 Seiten ist zu spüren: Hier ist einer, der sich vom Verkaufsgehilfen und Bauhilfsarbeiter nach oben gekämpft hat, der den Erfolg will und ihn auch genießt.
Der Rechtsanwalt, der seine erste Reifeprüfung auf dem zweiten Bildungsweg absolviert hat, macht kein Hehl daraus, das er Machtwillen besitzt. Das Buch, angelegt als eine Art Rechenschaftsbericht seiner bisherigen rot-grünen Regierungszeit, gleicht einer Bewerbung für höhere Aufgaben. In Ich- Form erzählt der Aspirant, „wie man Reformpolitik anpacken kann (...) und was wir aus diesen Erfahrungen lernen können, von mir aus auch bundespolitisch“. Im Zentrum stehen bei nicht Parteiprogrammatik und Gesellschaftsanalysen, sondern wie man Politik „hinkriegen“ kann.
Den bekennenden Machtpolitiker Schröder ziehen Wirtschaftsbosse von Daimler Benz, Veba oder VW mehr an, als sozialdemokratische Stallgerüche der Gewerkschaftsfunktionäre. Und Schröder berichtet ausgiebig von der Einigung über die mit Öko- Aufpreis versehene Mercedes- Teststrecke im Emsland und die Initiative für einen Energiekonsens. Schröder, der Ex-Jusochef, der mit der Wirtschaft kann. Für die Sozialpolitik etwa hat der Sozialdemokrat nur Randnotizen übrig.
Vom Bauhilfsarbeiter zum
bekennenden Machtpolitiker
hochgearbeitet
In leuchtenden Farben schildert er seinen Politikstil: Gerade Rot- Grün, die Suche nach dem Konsens, erfordere viel Zeit für Gespräche. „Diskurs“ nennt Schröder dies in Anlehnung an postmoderne Kommunikationstheorien. Die Praxis ist mitunter komplizierter. Im Regierungsalltag übergeht Schröder seine Minister gelegentlich. Spektakuläres Beispiel ist sein Engagement für den U-Boot-Auftrag aus Taiwan. Sein Wirtschaftsminister erfuhr nach einem halben Jahr aus der Zeitung davon. Schröders selbstkritisches Fazit: „Das war Mist“.
Schröder läßt durchblicken, daß er sich oft weniger auf Berater als auf seinen Instinkt verläßt. Der frühere SPD-Vordenker Erhard Eppler nennt Schröder deshalb ein „political animal“. Schröder scheint schon nach drei Dienstjahren auch die Gefahren der Macht zu spüren. „Macht macht süchtig“, schreibt er zu Beginn des Kapitels, in dem es darum geht, diese „Droge überlisten zu lernen“. Ob ihm dies persönlich gelingt, bleibt unausgesprochen die offene Frage. Andreas Möser, dpa
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