Rosskur für Banken: Abwicklung soll leichter werden
In den USA und Europa arbeiten die Regierungen an Regeln, mit denen sie systemgefährdende Finanzinstitute auflösen können.
"Too big too fail" - zu groß, um pleitezugehen - das soll es bei Banken in absehbarer Zeit nicht mehr geben. Sowohl die USA als auch Europa arbeiten daran, die Abwicklung von Banken erheblich zu vereinfachen.
In den USA hat das Repräsentantenhaus nun ein Gesetz auf den Weg gebracht, auf dessen Grundlage systemrelevante Banken, Versicherungen und Hedgefonds zerschlagen werden können. "Kein Institut darf so groß sein, dass man es nicht zusammenbrechen lassen kann", erklärte der Demokrat Paul Kanjorski. Er hat den Gesetzentwurf formuliert, der die Zerschlagung von großen Finanzinstituten erlaubt, auch wenn sich diese nicht in einer akuten Krise befinden.
Großbanken und Versicherungen auf der ganzen Welt mussten seit dem vergangenen Jahr im Verlauf der Finanzkrise mit Staatshilfen im Wert von hunderten Milliarden Euro vor dem Ruin gerettet werden. Die staatlichen Notspritzen erfolgten nicht freiwillig. Die Regierungen wurden zur Rettung genötigt, weil eine Pleite der "systemrelevanten" Finanzinstitute die übrige Wirtschaft mit sich gerissen hätte.
Das US-Gesetz würde Bankenriesen wie die Citigroup oder Goldman Sachs dazu zwingen, in guten Zeiten nachzuweisen, dass von ihrer Pleite keine Bedrohung für den Rest der Wirtschaft ausgeht. Die Vollmacht zur Zerschlagung soll ein neuer Rat zur Kontrolle der Finanzbranche erhalten. Frühestens im Dezember dürfte das Repräsentantenhaus über die Reform abstimmen.
Auch in Europa müssen sich Finanzinstitute auf schärfere Regulierungen und hohe Sanierungskosten einstellen. "Die Probleme im Bankensektor sind nicht gelöst", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Freitag bei einem Bankenkongress in Frankfurt. Die Hälfte der Wertberichtigungen wegen der Finanzkrise liege noch vor den Instituten, erklärte Schäuble, "schärfere Regeln für Banken werden kommen". Die Grundlagen dafür hat die Bundesregierung im Koalitionsvertrag gelegt. Darin kündigt sie "Instrumentarien" an, um "systemrelevante Unternehmen des Finanzsektors finanzmarktschonend abzuwickeln", die dann international abgestimmt werden müssten.
Großbritannien hat die Bankenentflechtung auf Druck der EU-Kommission bereits vorangetrieben. Finanzminister Alistair Darling will die Finanzriesen Royal Bank of Scotland (RBS) und den Versicherer Lloyds aufspalten, um sie systemisch zu entschärfen. Im Gegenzug wird der Staat weitere 32 Milliarden Euro in die maroden Finanzinstitute pumpen. EU-weit müssen alle staatlichen Hilfen von den Wettbewerbsaufsehern der EU-Kommission genehmigt werden. Doch diese knüpfen ihre Zustimmung an harte Auflagen. So wurde die RBS verpflichtet, den Konzern zu zerlegen und die Bilanzsumme um 40 Prozent zu verkleinern.
Eine Rosskur steht auch den angeschlagenen deutschen Landesbanken bevor. Aktuell sind die WestLB, HSH Nordbank und die BayernLB dringend auf weitere staatliche Milliardenhilfen angewiesen. Die WestLB und die HSH Nordbank wollen in den nächsten Wochen Risiken über 87 (WestLB) beziehungsweise 100 Milliarden Euro (HSH) in Bad Banks auslagern. Doch die Zeit drängt, denn am 30. November endet die Genehmigung der EU-Kommission für die im Lauf der Finanzkrise gewährten Nothilfen. Für neue Hilfen werden die Landesbanken einen hohen regulatorischen Preis der Aufseher bezahlen müssen. EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes äußerte Ende letzter Woche gar grundsätzliche Zweifel an der Überlebensfähigkeit der HSH Nordbank. "Die Kommission hat Zweifel, ob die HSH Nordbank in der Lage sein wird, ihre langfristige Rentabilität wiederherzustellen", sagte Kroes.
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