: Rosie Raabs klitzekleine Trostpflästerchen
■ Schulsenatorin stellt Haushalt vor: 5000 Kita-Plätze fehlen für Rechtsanspruch
Ein leichtes Spiel hatte gestern Schul- und Jugendsenatorin Rosie Raab bei der Vorstellung des 96er Etats. Nicht nur, daß der kritikwütige Lehrkörper sich zumeist in südliche Gefilde verabschiedet hat. Die SPD-Politikerin hatte auch die maßgeblichen Fiesitäten ihrer für die ganze Legislaturperiode angelegten Sparpolitik bereits mit dem 95er Haushalt verkündet und konnte somit gestern unschuldig von „qualitativen Verbesserungen“ berichten.
Fazit für den 3,4-Milliarden-Haushalt: Es gibt mit 5,7 Prozent etwas mehr Geld für Kinder, Schule und Jugend in Hamburg. Aber, es ist nicht genug angesichts des gestiegenen Bedarfs.
Beispiel Kindergärten: Trotz der 3 300 zusätzlichen Plätze, die Hamburg 1996 einrichten will, wird dies zur Erfüllung des Rechtsanspruchs nicht reichen. Raab verwies gestern auf eine „offene Entscheidungslage“, da noch nicht über einen Antrag Schleswig-Holsteins im Bundesrat entschieden sei, den Stichtag auf den 1.8.96 zu verschieben. Doch selbst wenn dies geschehe, fehlten Hamburg 5 000 Plätze, die frühestens 1998 bereitstehen.
Beispiel öffentliche Erziehung: Auch hier wurde der Etat mit 251 Millionen Mark (Vorjahr 223 Millionen Mark) kräftig erhöht. Insider vermuten, daß dies nicht reicht, weil bereits in diesem Jahr der zusätzliche Bedarf eine Nachforderung von 34,7 Millionen Mark nötig machte. Der Senat will hier eine politisch fragwürdige Bremse einbauen: Künftig sollen die Bezirke, die über die Unterbringung von Minderjährigen in öffentlichen Einrichtungen entscheiden, auch die Etatverantwortung dafür bekommen. Das soll, so Raab, „Zuwachsraten verhindern helfen“.
Beispiel Schule: Die Versorgung der zusätzlichen 12.000 Schüler, die bis 1998 an den staatlichen Schulen erwartet werden (derzeit 211.000 Schüler), ist nur gewährleistet, weil LehrerInnen ab Herbst '95 eine Stunde mehr arbeiten und Referendare ab Herbst –96 Klassen alleine unterrichten. Dennoch sind benachbarte Behördenchefs neidisch auf Raab, weil sie immerhin durchsetzte, daß ihr Ressort von Stellenstreichungen ausgenommen wird. Weil sie in diesem zugedeckelten Topf massenhaft Stellen umschichtete – die vor den Sommerferien angeordnete Teilabordnung von Gymnasiallehrern ist noch nicht abgeschlossen – konnte sie gestern auch ein paar Verbesserungen präsentieren. Hauptschüler bekommen eine Klassenlehrerstunde, und es gibt vier neue Standorte für integrative Regelklassen. Auch sind 43 Stellen für Lehrerfortbildung und 93 Stellen für die „volle Halbtagsgrundschule“ reserviert.
Für die Kritiker ihrer Politik hat die Senatorin klitzekleine Trostpflaster parat: So bekommt die Halbtagsgrundschule 15 Mark statt der angekündigten 5 Mark pro Schüler als zusätzliche Ausstattung bewilligt. Und in Wilhelmsburg soll ab 1996 als Modellversuch wieder erlaubt sein, was seit April verboten ist: die Doppelnutzung von Kita und Vorschule. Nur daß dort der Kindergartenplatz erst im Anschluß zur Verfügung steht. Den Zorn der Eltern dürfte dies nicht lindern, da die flächendeckende Einführung dieser Lösung in weiter Ferne liegt. Kaija Kutter
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