■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: Wehe dem, der auf die falsche Straßenseite zieht...
Bürgerschaftsabgeordneter Wedige von der Schulenburg hätte sich nicht träumen lassen, was für einen Wirbel er veranstalten würde, als er seine Umzugskartons packte, um von der Heide in den Achterkamp zu ziehen. Die Straße „Im Achterkamp“ist laut CDU-Landkarte geteiltes Gebiet. Die Grenze zwischen den Stadtbezirken Horn und Oberneuland läuft direkt durch diese Straße. Doch von der Schulenburg war offenbar so sehr mit dem Packen beschäftigt, daß er vergaß, auf die CDU-Landkarte zu gucken.
Hätte er es besser getan! Sein neues Siedlerhäuschen „Im Achterkamp 20“liegt nämlich nicht in Oberneuland, sondern in Horn. Von der Schulenburg war schlicht auf die falsche Straßenseite gezogen. Und das ist für ihn in mehrfacher Hinsicht tragisch: Er ist Vorsitzender des Stadtbezirks Oberneuland, als solcher darf er natürlich nicht in Horn wohnen. Außerdem garantiert ihm nur der Wohnsitz in Oberneuland einen Platz in der Bürgerschaft. Als Horner ist für ihn kein Platz im Parlament. Es gibt genügend Bewerber: Reinhard Metz, Dieter Focke, Elisabeth Motschmann, Dieter Gerdes. Und wenn er weder Vorsitzender von Oberneuland noch Abgeordneter ist, wäre Wedige von der Schulenburg auch für den Fraktionsvorstand nicht mehr interessant.
Als von der Schulenburg das Ausmaß des Umzugs erkannte, war es zu spät. Die Kartons waren ausgepackt. Vielleicht würde ja niemand merken, daß er Oberneuland heimlich den Rücken gekehrt hatte, hoffte er insgeheim und meldete sich nicht um. Doch da hatte er die Rechnung ohne seine Konkurrenten gemacht. Am 11. Februar sind Wahlen, und schon beim letzten Mal wurde von der Schulenburg dort nur mit einer Stimme Mehrheit zum ersten Christdemokraten gekürt. Geschwind kramte die Konkurrenz die Satzung hervor und verpetzte von der Schulenburg beim Kreisvorstand. Als Kandidat der CDU muß man seinen Lebensmittelpunkt in einem Stadtteil haben. Das heißt, man lebt oder arbeitet dort.
Die Frage nach der Grenze zwischen Oberneuland und Horn löst seitdem bei der CDU blanke Hysterie aus. „Stadtbezirke! Da häng' ich mich nicht rein“, schreit Guido Niermann, ein „ausgebuffter Medienprofi“, der sich vor seinem Engagement als CDU-Pressesprecher vor allem mit Berichten über die Schützenfeste in Beckum und Umgebung journalistisch einen Namen gemacht hat, ungehalten ins Telefon. Der CDU-Kreisverband sucht nämlich fieberhaft nach einer Lösung. Die Horner wollen keine Konkurenz und bestehen darauf, daß von der Schulenburg Oberneuländer ist. Die Oberneuländer wollen ihn loswerden und bestehen darauf, daß von der Schulenburg jetzt Horner ist.
Trifft der Kreisverband, dem Innensenator Ralf H. Borttscheller vorsteht, eine falsche Entscheidung, hat die CDU ein Problem. Bekommt von der Schulenburg eine Ausnahmegenehmigung, ziehen in Zukunft alle CDUler, wohin sie wollen, kandidieren, wo sie wollen, nehmen ihre Freunde mit auf die Reise und lassen ihre Feinde per Umzug hinter sich. Muß er sich in Horn anmelden, wäre seine politische Karriere beendet. Tja, so kann's kommen, wenn man auf die falsche Straßenseite zieht, lernt daraus
Ihre Rosi Roland
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