Rosa Liste aufgeflogen

■ Datenschützer wurden bei Überprüfung der Kölner Bahnpolizei fündig / Kripo hatte Zugang zur Kartei / Schwulengruppe sieht sich in ihren Vorwürfen bestätigt

Von Manfred Kriener

Berlin (taz) - Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz ist bei der Überprüfung der Bahnpolizei in Köln auf eine umfangreiche, alphabetisch geordnete Papierkartei gestoßen, die Rückschlüsse auf die Homosexualität von kontrollierten Personen aus dem Bahnhofsbereich zuläßt. Die Bahnpolizei hat eingeräumt, daß sie diese Kartei der Kölner Kripo für die Ermittlungen im Fall eines ermordeten homosexuellen Kellners zur Verfügung gestellt hat. Damit hat die Diskussion über Rosa Listen und Ermittlungsmethoden der Kölner Polizei eine neue Dimension erhalten. Die taz hatte vergangene Woche über den Fall berichtet: Im Zuge der Ermittlungen im Mordfall E. sucht die Kölner Kripo den Täter im „homosexuellen Milieu“ (was immer sie darunter versteht). Im Lauf der letzten Wochen wurden nun nach Angaben der Polizei 250 Schwule vorgeladen. Vergangene Woche hatte die Kölner Kripo nur die Zahl von 119 genannt. Die Vorgeladenen wurden mit der Täterbeschreibung verglichen und mußten ihre Blutgruppe nachweisen. Die Blutgruppe des vermuteten Täters ist bekannt. Die große Frage war: Woher hatte die Polizei die Adresse von 250 Schwulen? Die Antwort auf diese Frage fanden die Datenschützer jetzt bei der Kölner Bahnhofspolizei. In deren Karteikasten wird festgehalten, wer im Bahnhofsbereich aufgefallen ist, um eventuelle Hausverbote auszusprechen. Neben den „Nicht–Seßhaften“ sind in der Kartei offenbar vor allem Stricher und ihre Freier erfaßt sowie Personen, die von den Beamten wegen „homosexuellen Handlungen“ kontrolliert wurden. Nach Informationen der Kölner Schwulen– und Lesbengruppe GLF ist diese Datei sehr umfangreich und enthält weit über 200 Namen. In einer Kurzdarstellung, so Ulrich Dammann, Fortsetzung auf Seite 2 Referatsleiter beim Bundes–Datenschutzbeauftragten, sei auf den Dateikarten der Grund der Erfassung eingetragen. Beispiel: XY „hat homosexuelle Handlungen auf der Herrentoilette vorgenommen“. Diese Eintragung ist versehen mit Name und Adresse. Daß die Kölner Kripo Zugang zu dieser Kartei hatte, ist gegenüber dem Datenschutzbeauftragten zugegeben worden. Der Kölner Polizeisprecher Schmidt zur taz: „Wir haben unsere Erkenntnisse mit der Bahnhofspolizei abgeglichen.“ Verbittert und empört sind die Kölner Schwulen. Michael Baum von GLF: Der Fund der Daten schützer beweise, daß bei den Behörden immer noch Rosa Listen geführt werden und daß sich die Polizei solcher gefährlicher und ungesetzlicher Karteien bediene. Die Bonner Datenschützer halten sich noch bedeckt. Man wolle den Fall erst noch genauer prüfen. Zweifel über einen Datenfluß mit Angaben über Schwule bestehen aber offenbar nicht mehr.