Roma in Kreuzberg: Familien suchen Obdach
Die Suche nach einer Unterkunft für 50 obdachlose Roma geht weiter. Die betroffenen Bezirke sehen den Senat in der Pflicht.
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Hinter dem Café Edelweiss im Görlitzer Park liegt ein knappes Dutzend Matratzen. Daneben steht ein Wäscheständer. Seit Anfang August leben unter dem Dach des ehemaligen Bahnhofsgebäudes in Kreuzberg etwa 50 Roma. Vertreter der Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Mitte wollen am heutigen Donnerstag gemeinsam überlegen, wo man die Roma unterbringen kann. Auch der Integrationsbeauftragte des Senats, Günter Piening, und der Verein Südost, der in Kontakt mit den Betroffenen steht, sind eingeladen.
Bereits am Freitag hatte Pavao Hudik, Psychologe im Verein Südost, der taz erklärt, dass unter den etwa 50 Roma 20 Kinder seien, die an ihrem bisherigen Wohnort zum Teil bereits in Kita und Schule gegangen seien. Eine der zwei bis drei Großfamilien hatte zuvor in der Genthiner Straße in Tiergarten gewohnt. Der Vermieter hatte der Familie wegen Überbelegung gekündigt (taz berichtete). Eine andere Familie hatte laut Hudik zuvor in Neukölln gelebt.
Stephan von Dassel (Grüne), Sozialstadtrat in Mitte, wies gegenüber der taz einen Medienbericht zurück, nach dem der Bezirk Mitte Wohnungen für die Roma anmieten wolle. Dies sei nicht auszuschließen, aber "es würde einen Präzedenzfall schaffen", so von Dassel. Stattdessen müsse es ein stadtweit einheitliches Vorgehen geben. Dies fordert auch der Bezirksbürgermeister von Mitte, Christian Hanke (SPD): Es sei nicht das Problem einzelner Bezirke, Unterkünfte für Roma zu finden. Der Senat müsse mehr Geld für geeignete Wohnungen im ganzen Stadtgebiet bereitstellen.
Günter Piening, Integrationsbeauftragter des Senats, geht dagegen sehr wohl davon aus, dass sich der Bezirk Mitte um Wohnungen für die Roma kümmert. Der Senat kümmere sich inzwischen um mehr Geld für den Verein Südost, sagte er der taz. "Im Juli wurden die Mittel bereits erhöht. Jetzt gibt es erneut eine Erhöhung."
Unterdessen dringt der Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), auf eine schnelle Lösung im aktuellen Fall: "Wir brauchen eine menschenwürdige Unterkunft." In Friedrichshain-Kreuzberg gebe es derzeit aber keine Möglichkeiten.
Lutz Thinius, Vorsitzender des Vereins Humanitas Hilfe Berlin-Brandenburg und früherer Vermieter der Wohnung in der Genthiner Straße, sagte, er habe der Familie telefonisch eine neue Wohnung angeboten. Diese habe sein Angebot aber nicht verstanden - und der Verein Südost habe sich auf seine Mail hin nicht gemeldet. Thinius war in die Kritik geraten, weil er bei der Kündigung im Juli sein Versprechen, eine Alternativwohnung anzubieten, nicht gehalten haben soll. Er selbst dagegen verweist darauf, dass die Familie sein Angebot abgelehnt habe.
Die zwei Frauen und Kinder, die am Mittwochmittag hinter dem Café auf den Matratzen sitzen, wollen nicht mehr mit der Presse reden. Nur gegen Lebensmittel oder Geld.
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