Rollschuhsport mit Körpereinsatz: Da bleibt kein Knie schorffrei
Bei ihrem Rennen in der Treptower Arena gegen die begeistern die "Berlin Bombshells" 500 Zuschauer. Die Vollkontaktsportart auf Rollschuhen ist ein Hingucker.
Als die Protagonistinnen des Abends vorgestellt werden, wähnt man sich in einer schrägen Show zu Gast. Zwei Teams mit etwa 13 Frauen auf Rollschuhen werden präsentiert. Sie tragen Namen wie Zornröschen, Hella Wahnsinn, KamiKatze, Zandy Zunder oder FoXy Führer. Alle haben kurze Röcke an und tragen Knie-, Ellbogen- und Schulterpolster. Die meisten Gesichter sind grimmig geschminkt. Einige haben sich gar Blutrinnsale aufgemalt. Die Zähne sind durch einen Mundschutz gesichert. Und die etwa 500 Zuschauer in der Treptower Arena johlen bei ihrem ersten Auftritt wie vor dem Beginn eines Popkonzerts.
Was dann aber folgt ist ein facettenreicher Sport. Zweimal eine halbe Stunde lang kurven auf einer etwa 30 mal 18 Meter großen Fläche die Frauen von den Berlin Bombshells gegen ihre Kontrahentinnen von Barockcity Ludwigsburg auf der oval angelegten Bahn und sie kämpfen dabei darum, wer die meisten Punkte erzielt. Roller Derby heißt diese Disziplin, die fast ausschließlich von Frauen ausgeübt wird. Pro Team sind jeweils vier Blockerinnen und eine so genannte Jammerin im Einsatz. Nur die Jammerin kann punkten, indem sie sich ihren Weg durch das Pack, die Blockerinnen, bahnt. Die Teamkolleginnen versuchen ihr dabei zu helfen, die Gegnerinnen dagegen sind bestrebt, die Überholende auszubremsen oder per Bodychecks von der Bahn zu drängen. In der Lexikonsprache nennt man so etwas eine "Vollkontaktsportart". Es gibt etliche Stürze und Kollisionen auf der Bahn, und die Zuschauer in der Treptower Arena reagieren darauf immer wieder mit frenetischem Applaus.
Wobei der sportliche Spannungsbogen an diesem Abend relativ flach verläuft. Zu überlegen sind die Berlin Bombshells. Mit tänzerischer Leichtigkeit durchqueren die Berliner Jammerinnen immer wieder den gegnerischen Pulk. Am Ende gewinnen die Bombshells mit 226:62 Punkten. Dass dies die Publikumsbegeisterung dennoch nicht mindert, mag daran liegen, dass beim Roller Derby die Grenzen zum Spektakel fließend sind. An diesem Abend überwiegt eben die Show. Die Zuschauer drängen am Ende an die Bahn und strecken ihre Hände aus, welche die Siegerinnen auf ihren unzähligen Ehrenrunden immer wieder abklatschen.
Die Berliner Jammerin Zandy Zunder alias Sandra Laube ist auch nach dem überdeutlichen Sieg sichtlich euphorisiert. Beglückt sagt sie: "Das ist ein Adrenalinschub. Ich bin völlig high." Roller Derby sei einfach eine gute Sportart, um sich zu verausgaben. Die teilweise martialischen Künstlernamen gehörten mit zum Spiel, als Frau einmal in eine andere Rolle schlüpfen zu können. Man dürfe schon nicht zimperlich sein. Zum Beweis zeigt Laube eine Schürfwunde, die sie sich nach einer Karambolage an der Hüfte zugezogen hat.
Doch warum haben sich die Männer bislang an dieser körperbetonten und taktisch anspruchsvollen Sportart bislang kaum versucht? Anfang der 30-er Jahre etablierte sich Roller Derby in den USA als populäre Frauensportart. Nachdem das öffentliche Interesse stark nachließ, ist der Rollschuhwettlauf dort in den 90er-Jahren wieder in Mode gekommen. Seit wenigen Jahren gibt es nun auch in Deutschland Roller Derby-Teams. Sandra Laube glaubt, dass Roller Derby mit den kurz berockten, sich rempelnden Frauen eine "Hingucker-Sportart" sei. Das würde für eine besondere Aufmerksamkeit sorgen. Über die 500 Zuschauer, die am Samstag den Wettkampf verfolgten, würden sich etliche Berliner Erstligisten freuen.
FoXy Führer, die mit richtigem Namen Janina Meyer heißt, hat das Berliner Team vor zwei Jahren mitbegründet. Sie glaubt, dass Roller Derby in Deutschland derzeit Erfolg hat, weil es neu ist und der allgemeinen Suche nach etwas Besonderem, Individuellem entspricht. Das Unkonventionelle locke an. Meyer selbst stammt aus der Punkerszene und hat einige ihrer Freundinnen für das Roller Derby begeistern können. Auch im Publikum dominiert die Kleidungsfarbe schwarz. Viele tragen Tattoos und schrille Frisuren.
Dort, wo man mehr Wert auf Konventionen legt, bei Sportverbänden oder Bezirksämtern etwa, haben die Bombshells wesentlich größere Probleme, mit ihrer Sportart zu begeistern. In den Rollsportverband wurde man nur nach anfänglichem Widerwillen aufgenommen. Und das Sportamt Friedrichshain-Kreuzberg wollte den Rollschuhfrauen gar das Training in den bezirkseigenen Hallen verwehren (taz berichtete). Die Bombshells haben sich mittlerweile eingeklagt. Außerhalb des Ovals müssen sie erst recht mit harten Bandagen kämpfen.
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