Rollenwechsel in der Liechtenstein-Affäre: "Betrogene Betrüger"
Steuerflüchtlinge, die ihr Geld bei der Liechtensteiner Fürstenbank LGT angelegt hatten, wollen die Bank nun auf Schadenersatz verklagen.
Was ist schon Steuerflucht gegen den Verkauf von Steuergeheimnissen? Nach diesem Motto wollen eine ganze Reihe mutmaßlicher Steuerhinterzieher versuchen, möglichst günstig aus der Liechtenstein-Affäre hinaus zu kommen: Sie haben Anwälte eingeschaltet, die vorfühlen sollen, ob und wie sie die Fürstenbank Liechtenstein Global Trust (LGT) und ihre Tochter LGT Treuhand auf Schadenersatz verklagen können. Der Vaduzer Rechtsanwalt Heinz Frommelt, früherer Justizminister von Liechtenstein, bestätigte, dass allein bei ihm bereits "ein knappes Dutzend" teilweise sehr konkreter Anfragen zur aktuellen Rechtslage im Fürstentum Liechtenstein eingegangen seien (siehe Interview).
Die Betroffenen sehen sich allesamt mit Ermittlungen des deutschen Fiskus konfrontiert, die auf Kundendaten der LGT Treuhand basieren. Ein Angestellter der Bank hatte sich im Jahr 2002 mit einer CD abgesetzt, auf der über 4.500 Datensätze über Stiftungen und Institutionen abgespeichert waren. Das Material hatte er für fast fünf Millionen Euro an den Bundesnachrichtendienst verkauft. Nach Angaben der zuständigen Staatsanwaltschaft Bochum ist es die Grundlage für derzeit insgesamt 350 Ermittlungsverfahren gegen mutmaßliche deutsche Steuersünder. Mindestens 420 weitere Verdächtige werden aktuell noch überprüft. Reuige Steuerbetrüger haben bereits 110 Millionen Euro an Steuern nachgezahlt, die Staatsanwaltschaft geht aber davon aus, dass mindestens eine Milliarde Euro am Fiskus vorbei nach Liechtenstein transferiert wurden.
Über ihre Anwälte werfen die betroffenen Anleger der LGT nun vor, sie nicht umgehend über den Diebstahl der Daten informiert zu haben. Denn dann, so argumentieren sie, hätten sie die Amnestie nutzen können, die die damalige rotgrüne Bundesregierung für reuige Steuersünder beschlossen hatte: Wer im Ausland hinterzogenes Geld von Anfang 2004 bis Ende März 2005 nachträglich beim Finanzamt meldete, kam mit einem pauschalen Steuersatz von zunächst 25 und zuletzt 35 Prozent davon. Statt der erhofften fünf hatte die Straffreiheit den Finanzämtern allerdings nur rund eine Milliarde Euro mehr eingebracht. Die Klagewilligen stellen sich nun vor, dass sie zumindest die Differenz zwischen den Steuern, die sie während der Amnestie hätten nachzahlen müssen, und dem aktuellen Satz von der LGT wiederbekommen müssten.
"Es wäre pervers, wenn die Steuerflüchtlinge mit ihrer Klage durchkämen", sagt Detlev von Larcher vom Steuerkreis des globalisierungskritischen Netzwerks Attac. "Warum sollten sie Schadenersatz für etwas bekommen, das gar nicht ihnen gehört, sondern dem deutschen Staat?" Die Betroffenen zeigten damit, dass sie "null Unrechtsbewusstsein" hätten. Geld sei offenbar das einzige Argument, dem sie zugänglich seien.
Deshalb dürfte das Urteil im ersten Prozess der Liechtenstein-Ermittlungen sie auch zu noch größeren Anstrengungen ermuntern: Am Freitag hatte das Landgericht Bochum einen 66-jährigen Immobilienkaufmann aus Bad Homburg verurteilt, der zwischen 2001 und 2006 rund 7,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen hatte. Die Richter verhängten nicht nur eine zweijährige Haftstrafe, die sie zur Bewährung aussetzten. Der Kaufmann muss innerhalb von drei Monaten auch noch 7,5 Millionen Euro an soziale Einrichtungen zahlen - zusätzlich zu den hinterzogenen Steuern, die er bereits an das Finanzamt überwiesen hatte. "Die Justiz in Deutschland zeigt, dass sie offenbar tatsächlich durchgreifen will", so Larcher.
Für die LGT kommt das neue Problem nicht gerade besonders gelegen. Selbst wenn sie sich als Fürstenbank bei einer Klage in Liechtenstein vermutlich nicht allzugroße Sorgen machen muss. Gemeinsam mit der Schweizer UBS ist die LGT Treuhand derzeit auch aus den USA unter Beschuss. Beide Banken sollen US-Privatkunden dort ebenfalls bei der Steuerhinterziehung geholfen haben. Einige Senatoren planen nun gemeinsam mit dem demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama ein neues Gesetz, das weitere Schlupflöcher zur Steuerflucht stopfen und die Vermögen in den USA halten sollen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!