: Rokoko von Quelle
■ Nicht aufregend, nicht nervig: Franziska Kohlund inszeniert Eric-Emmanuel Schmitts „Der Freigeist“ im Ernst-Deutsch-Theater
Das kann im Ernst-Deutsch-Theater mit seinem hohen Zuschaueraltersdurchschnitt schon mal passieren: Während der Vorstellung wird in den Saal gefragt, ob sich im Publikum ein Arzt befindet, und irgendwo piepst markerschütternd ein Hörgerät. Auf der Bühne war es anlässlich der Premiere von Der Freigeist leider nie so aufregend, aber zum Glück auch nie so nervig. Die kluge Stimme des Dramatikers Eric-Emmanuel Schmitt mit ihrem elegant schneidenden Witz in diesem Stück um den Doppelcharakter der Moral als Staats- und als Privatangelegenheit dringt immer wieder mit einigem Gewicht durch in der Inszenierung von Franziska Kohlund, die sich zwar keine groben Schnitzer erlaubt, doch eben auch wenig wagt, wenig ausprobiert, hier eine Pointe fahren lässt, dort eine verwässert und das erotische Potenzial des Textes weitgehend brach liegen lässt.
Die Regie ist also solider Durchschnitt. Und, wer weiß, mit besseren Schauspieler wäre vielleicht noch mehr drin gewesen. Christian Kohlund ist ein fast zu sicherer Denis Diderot, der der Amplitude des lustbetonten Denkers allerdings weder in philosophische Höhen noch in animalische Niederungen besonders weit zu folgen in der Lage ist. Diese schillernde Figur in allen Facetten auszufüllen, dafür fehlt ihm offenbar das Format. Seinem Widerpart, der zwielichtigen Malerin Therbouche, vermag Maike Bollow nicht das hinreichende Femme-fatale-Odeur einzuhauchen. Die dauerbetrogene Ehefrau spielt Jessica Kosmalla viel zu artifiziell, während Tina Landgraf das aufbegehrende Diderot-Töchtertchen Angelique reichlich flach ausstattet. Einzig positiv überrascht Antje Westermann, die als junge Baronesse D'Holbach das Moment der rokokotypischen Exaltiertheit stets unpeinlich auf die Spitze zu treiben weiß.
Apropos Rokoko: So einen Schaukelstuhl, wie ihn Buschi Luginbühl auf ihre wild historistisch daherkommende Bühne gestellt hat, hatten meine Eltern sich Ende der 70er Jahre bei Quelle bestellt.
Ralf Poerschke
bis 26. Februar, Ernst-Deutsch-Theater, 22 70 14 20
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