■ Wahrheit-Reporter vor Ort: Auf Quellensuche im Allgäu: Röntgenblicke und Wünschelruten
Heimenkirch (taz) – Der Wasserzweckverband Heimenkirch- Opfenbach steht vor einem Problem. Die 90 Jahre alte Trinkwasserquelle muß zum Jahresende stillgelegt werden, weil sie nicht in einem Wasserschutzgebiet liegt. Also mußte nach einer neuen Quelle gebohrt werden. Bislang waren die Bohrungen jedoch erfolglos, und so kam der Bürgermeister von Heimenkirch auf eine ungewöhnliche Idee. „Wir hatten ein Ingenieurbüro beauftragt, sie möchten doch nach wissenschaftlichen Erkenntnissen vorgehen. Doch dieser Versuch ist leider fehlgeschlagen. Dabei haben wir bereits etwa 30.000 Mark investiert.“
Gemeindechef Rudi Janisch besann sich also eines uralten Allgäuer Vorgehens. „Ich dachte, wir suchen einfach einen Wünschelrutengänger, vielleicht findet der was.“ Und auch wenn die Wissenschaft nicht ganz einverstanden war, sich der Diplom-Geologe wenig begeistert zeigte, brachte der Bürgermeister und Wasserzweckverbandsvorsitzende das Thema in die Verbandsversammlung ein. „Der Zweck heiligt die Mittel. Ich schlug einfach vor: Machen wir das doch parallel – Wissenschaftler und Rutengänger!“ Gesagt, getan, und so trafen sich denn dieser Tage die offiziellen Gemeindevertreter sowie der mit der Bohrung beauftragte Geologe mit drei Wünschelrutengängern im Ortsteil Grünenbach. Zwei Männer und eine Frau waren erschienen, die nach eigenen Angaben allesamt über die Fähigkeit verfügen, Wasseradern aufzuspüren.
Während Marie-Luise Stübner und Fritz Eiba mit Ruten und Metalldrähten arbeiten, steht Manfred Mair aus Weiler einfach nur da und schaut mit zusammengekniffenen Augen über die Wiesen und in den Wald. „Ich kann Wasser sehen, auf fünfzig Meter Entfernung, und wenn Wasser da ist, dann finde ich das auch.“ Im Brustton der Überzeugung und ohne auch nur einen Funken Zweifel aufkommen zu lassen, stellt er das fest.
Im „Streiter Wald“ wird dann zunächst das offizielle Bohrloch aufgesucht. Es dauert nur wenige Minuten, bis sich alle drei Wassersucher einig sind: Viel zuwenig! Der Geologe erklärt gequält, er betrachte das Ganze als „Phänomen und mögliche Arbeitsmethode, völlig neutral“. Sein Chef wird einen Tag später den stellvertretenden Zweckverbandsvorsitzenden anrufen und weit weniger gelassen reagieren, aber das weiß zu diesem Zeitpunkt noch keiner. Mair läßt seine Blicke schweifen und konstatiert: „Bei der Tanne da hinten, da ist viel mehr Wasser als da!“ Rutengänger Eiba checkt das nach seiner Methode ab und nickt zustimmend.
Ein paar Tage später ziehen zwei der drei Wassersucher noch einmal los, unabhängig voneinander und ganz allein, doch mit übereinstimmendem Ergebnis: Wenn man bohren möchte, dann hier an dieser Stelle, bei dieser Tanne. Aber es dürften in einer Tiefe von 64 Metern bestenfalls 2,5 Liter pro Sekunde sein, die diese rund sechs Meter breite Wasserader führe – vermutlich zuwenig für den Zweckverband.
Der zweite von den Geologen bestimmte Bohrpunkt, an dem zunächst alle drei Wasserspürnasen vorbeimarschiert sind, wird daraufhin auf Wunsch des Bürgermeisters noch einmal gezielt „vermessen“, mit der Feststellung, daß man hier viel weniger Wasser finden werde als bei der Tanne. Bleibt für Rudi Janisch das Fazit: „Wir werden wohl an dieser Stelle nicht bohren lassen.“
In der Zweckverbandsversammlung Anfang Dezember muß nun entschieden werden, wie man weitermacht. Der Wasserseher Mair hat nämlich einige Kilometer entfernt, in einem ganz anderen Ortsteil, eine viel ergiebigere Wasserquelle entdeckt. In Heimenkirch ist man nun riesig gespannt darauf, was aus der ganzen Sache wird. Klaus Wittmann
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