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KommentarRöber statt Momper

■ Die SPD und die Qual der Wahl

Die SPD dankt Hertha, nur Hertha dankt es der SPD nicht. Wieder einmal haben die Sozis ein Eigentor geschossen und wieder einmal würde man am liebsten rufen: „Aufhör'n!“ oder „Spielt doch mal wie Hertha!“

Würde man, muß man nicht. Worüber man langsam nachdenken muß, sind die Folgen der SPD-Fehlpaßorgie für die politische Landschaft. Wieviel Jahre Opposition stehen etwa für das nachhaltige Abwirtschaften einer politischen Alternative? Oder: Wie glaubwürdig sind sie überhaupt noch, die Berliner Politiker?

Während derzeit eine Berliner Grüne nach der andern für minsteriabel und europafähig erklärt wird, bringen die Genossen nur Weddinger Bezirksklasse zustande. Das mag mancher mit der traditionellen Provinzialität hiesiger Politik erklären, ist es aber nicht. Selbst Provinzpolitiker wissen manchmal was sie tun, die Sozis wissen gar nichts. Soll man Putzfrauen melden, Wohnungsbaugesellschaften verkaufen, grundständige Gymnasien einrichten? Statt diese Fragen politisch zu diskutieren, setzen die Werbefuzzis Momper lieber eine neue Brille auf. Auch Ingrid Stahmer bekam damals eine neue Frisur verpaßt. Das Ergebnis war eindeutig: Die SPD kam, wie die taz 1995 schlagzeilte, „deutlich über fünf Prozent“.

Eigentlich müßte man den Spieß umdrehen. Würde man Wahlen durch Abstrafungen ersetzen, würde der Gang zur Urne wieder richtig Spaß machen. So aber soll man sich nicht gegen, sondern für eine Partei entscheiden, fragt sich nur für welche – die schlechteste, die mit der größten Projektionsfläche oder die mit der Frau, der Knarre und den toten Hasen? Für welche Politik man sich entscheidet, spielt ohnehin keine Rolle mehr. Oder hätte am 27. September jemand gedacht, daß rot-grün das Land weit mehr an die Börse und die Nato verkaufen würde als man es Helmut Kohl je zugetraut hat?

Genausogut oder schlecht, wie man am 10. Oktober rot-grün als Reformprojekt verkaufen könnte, könnte man auch eine Koalition des sozialen Gewissens fordern – aus PDS und CDU. Oder gleich Jürgen Röber zum Regierenden Bürgermeister küren. Da weiß man, was man hat. Uwe Rada

Meldung Seite 22

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