piwik no script img

Archiv-Artikel

Robust und aufgeklärt

Der Krieg gegen den Terror und der Kampf zur Demokratisierung des Nahen Ostens sind erfolgreich. Dank den USA kommt es endlich zu diesem lange überfälligen Umbruch

Osteuropäer, Japaner, Australier und Inder standen den USA niemals näher als heute

Als Reaktion auf die Attentate vom 11. September 2001 entwickelte die US-Regierung ein neues Konzept der nationalen Sicherheit: die Bush-Doktrin. Ihr zufolge sind auch präventive Militärschläge zulässig, ja manchmal notwendig. Zudem sollen Freiheit und Demokratie in Staaten gefördert werden, die als Brutstätten des radikalen Islamismus gelten. Das US-Magazin „Commentary“ bat anlässlich seines 60-jährigen Bestehens prominente Autoren, diese Doktrin zu bewerten. Heute dokumentieren wir den Text von Befürworter Victor Davis Hanson, am Samstag den des Kritikers Paul Berman:

Glaubt man Meinungsumfragen, dann stehen die meisten Amerikaner Bushs Außenpolitik mittlerweile kritisch gegenüber. Sie sind nicht bloß wegen der täglichen Selbstmordattentate im Irak verunsichert. Viele lehnen den Krieg mittlerweile auch wegen der andauernden öffentlichen Attacken auf die amerikanische Außenpolitik vonseiten der Linken und der extremen Rechten ab. Unter diesen finden sich nicht wenige, die ursprünglich einen Präventivschlag befürwortet haben.

Jetzt behaupten sie, dass sie die Absetzung Saddam Husseins zwar begrüßten, aber entsetzt darüber sind, was danach folgte. Man habe einen Militäreinsatz befürwortet, von dem man dachte, er werde ebenso perfekt wie sauber ablaufen. Mit der schmuddeligen Realität des Wiederaufbaus will man nichts zu tun haben, als hätte es in Amerikas früheren Kriegen nie tragische Irrtümer und fehlgeschlagene Aktionen gegeben. Doch trotz der Medienhysterie und der unbestreitbaren Fehler bei der Umsetzung zeitigt die Bush-Doktrin Erfolge, die sich bald zu dauerhaften Fortschritten entwickeln könnten.

Abgesehen von unserer Unfähigkeit, die Gefahren und Kosten des Krieges gegen den radikalen Islam klar zu benennen und unser gesamtes militärisches Potenzial darauf zu konzentrieren, abgesehen auch davon, dass unsere eigene Südgrenze für terroristische Infiltration verwundbar bleibt, gab es in den vergangenen vier Jahren enorme Fortschritte. Wir haben sowohl die Taliban als auch Saddam Hussein gestürzt. Dabei ließen 2.000 amerikanische Soldaten ihr Leben.

Das ist ein schwerer und beklagenswerter Verlust. Doch am ersten Kriegstag, dem 11. September 2001, wurden über 3.000 amerikanische Zivilisten getötet. Der vorausschauenden Strategie, hart gegen Schurkenstaaten vorzugehen und beim Wiederaufbau zu helfen, in Verbindung mit erhöhter Wachsamkeit im eigenen Land, ist es zu verdanken, dass die USA vor weiteren Anschlägen verschont blieben.

Im Irak selbst hat sich eine konstitutionelle Regierung auf einen mühseligen Weg nach vorne begeben. Zwar rückt in den Diskussionen immer wieder das unnachgiebige Verhalten der Sunniten in den Vordergrund. Doch diese Minderheit, die nicht über Öl verfügt, ist durch ihre ruchlose Unterstützung von Saddam und den Al-Qaida-Terroristen in eine unhaltbare Position geraten. Ihre Kleriker haben die irakischen Sunniten dazu aufgerufen, bei der Abstimmung über die Verfassung mit Nein zu stimmen, obwohl sunnitische Extremisten alle mit dem Tod bedrohen, die überhaupt zur Wahl gehen.

Ohne Frage findet eine radikale Veränderung der politischen Kultur in dieser Region statt. Die Präsidentschaftswahlen in Ägypten wurden zwar boykottiert und manipuliert. Dennoch waren sie ein beispielloses Ereignis, und auf die Wahlmanipulation reagierten die Ägypter äußerst rasch mit Massendemonstrationen. Auch in anderen Ländern zeichnen sich unerhörte neue Entwicklungen ab. Libyen und Pakistan verzichteten auf die Weiterentwicklung ihres Atomwaffenprogramms; die Syrer zogen sich aus dem Libanon zurück, und in der Golfregion formieren sich Parlamente, die sich zu mehr als nur Marionetten der Regierung entwickeln. Sogar in Palästina haben der Tod Arafats, der Bau eines Sicherheitszauns, der israelische Rückzug aus Gaza und der Sturz Saddam Husseins die Position der zuvor marginalisierten Reformer im Westjordanland gestärkt. Stück für Stück geht die Aufgabe, Kriminalität und Terrorismus zu bekämpfen, an die Palästinenser über. Schließlich sind sie auch dafür zuständig.

Die USA blieben vor weiteren Anschlägen verschont blieben, weil Bushs Strategie vorausschauend war

Selbstverständlich entstehen im Nahen Osten jetzt keine Schweizer Kantone. Aber wir erleben, wie der islamische Radikalismus und die säkulare Autokratie allmählich etwas Neuem und Demokratischerem Platz machen. Die USA sind der Hauptkatalysator dieses volatilen, gleichwohl lange überfälligen Umbruchs. Sie haben das Risiko fast völlig allein auf sich genommen; der Lohn ist eine stabilere Welt für alle.

Man macht gern viel Aufhebens von dem weltweiten Antiamerikanismus und dem Hass auf George W. Bush. Doch bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass dieser Furor hauptsächlich auf Westeuropa, den autokratischen Nahen Osten und unsere eigenen intellektuellen Eliten beschränkt ist. Unsere lautstärksten Kritiker in Europa, Chirac und Schröder, haben beträchtlich an Rückhalt verloren; Schröder sogar sein Amt. In Europa macht sich eine Opposition von Realisten bemerkbar, die sich um die Integration ihrer eigenen Minderheiten sorgt und für amerikanische Beharrlichkeit im Krieg gegen den radikalen Islam dankbar ist. Osteuropäer, Japaner, Australier und Inder standen den USA niemals näher als heute. Russland und China haben gegen unseren Krieg gegen den Terror wenig einzuwenden.

An der Heimatfront ist die vergleichsweise geringe überparteiliche Unterstützung zum Teil auf die von der Linken geprägte Medienkultur zurückzuführen, zum Teil auf die ebenso lautstarken wie missgünstigen Attacken der ausgebrannten Demokratischen Partei, aber auch auf eine Unsicherheit über den Verlauf und die Zukunft der von der Bush-Doktrin in Gang gesetzten Entwicklungen. Die extreme Rechte wiederum sieht nur zu hohe Ausgaben, einen zu starken Staat und hinter den Kulissen zu viel Israel.

Was liegt vor uns? Säkulare Diktaturen und islamistische Regime sind ebenso inakzeptabel wie gefährlich. Wir sollten sie meiden, selbst wenn wir dafür die Empfänger amerikanischer Hilfsgelder und Militärhilfe wie Mubarak, Musharraf und die saudische Herrscherfamilie zur Reform drängen müssen. Zu Hause wird unsere Fähigkeit, uns vor internationaler Erpressung zu schützen, sehr bald erodieren, wenn uns keine praktikable Lösung einfällt, wie man die Ölproduktion steigert und gleichzeitig Umweltschutz und alternative Energien fördert.

Das Bedrohlichste wären aber Atomwaffen in den Händen des Iran oder eines der übrigen undemokratischen Länder im Nahen Osten. Dies könnte das meiste, wenn nicht sogar alles zerstören, was bisher erreicht wurde. Was wäre geschehen, wenn Amerika in den späten Dreißigerjahren von rumänischer oder deutscher Kohle abhängig gewesen wäre oder wenn Hitler, Mussolini oder Franco kurz davor gestanden hätten, Atomwaffen zu bauen?

Unsere Bemühungen in Afghanistan und im Irak und unser Insistieren auf Reformen im Nahen Osten unterstütze ich weiterhin ohne jedes Zaudern. Und zwar nicht deshalb, weil die Bush-Doktrin einem bestimmten Programm folgt, sondern vielmehr, weil in der Ära nach dem 11. September ein kraftvoller Idealismus den neuen amerikanischen Realismus und damit das einzige Gegengift gegen den islamischen Radikalismus und seinen terroristischen Anhang darstellt.

Das Risiko tragen die USA fast allein, aber der Lohn ist eine stabilere Welt für alle

Unser gegenwärtiges Vorgehen ist nicht motiviert durch die Bestrebung, ein Imperium aufzubauen oder ökonomische Vorteile zu gewinnen. Auch folgt es nicht unbekümmert irgendeiner Utopie. Es hat sich schlicht und einfach die Verbreitung der Demokratie zum Ziel gesetzt. Dafür werden wir unsere Präsenz in Deutschland und Südkorea verringern und unsere Truppen aus Saudi-Arabien zurückziehen. Das ist eindrucksvoll und bewundernswert. Wie nennen wir diese robuste neue Doktrin, die weder mit dem naiven Idealismus Wilsons noch mit der Realpolitik des Kalten Krieges etwas zu tun hat?

Man könnte sie als aufgeklärten Jacksonianismus bezeichnen: als die Entschlossenheit, dann und nur dann die erforderlichen Militäreinsätze zu unternehmen und politische Reformen voranzutreiben, die unseren demokratischen Werten entsprechen, wenn die Aufrechterhaltung des Status quo die Sicherheit der Vereinigten Staaten bedroht. VICTOR DAVIS HANSON