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Roberto Hilbert kickt am BosporusLieber Zug als Panzer

Der ehemalige deutsche Nationalspieler fühlt sich pudelwohl bei Besiktas Istanbul. Roberto Hilbert ist dort Publikumsliebling, trotz geringer Einssatzzeiten.

Schaut grimmig, ist aber glücklich: Hilbert im Trikot von Besiktas Istanbul. Bild: reuters

BERLIN taz | Roberto Hilbert ist ein geduldiger Mann. Das muss er auch sein. Denn alle hundert Meter möchte sich jemand mit ihm fotografieren lassen. Der Spaziergang vom Taksim, dem verkehrsumtosten Zentrum Istanbuls, hinunter an den Bosporus, wo das Stadion seines Clubs Besiktas liegt, ist nicht wirklich weit. Aber so oft wie ein Mobiltelefon gezückt wird, muss Hilbert stehen bleiben und freundlich lächeln. Seit über einem Jahr spielt der deutsche Fußballprofi nun bei Besiktas Istanbul, und wenn es so weitergeht, dürfte er bis zum Ablauf seines Vertrages im Jahre 2013 auf jedem Istanbuler Handy gespeichert sein.

Wenn er dann noch in Istanbul ist. Immerhin wird der türkische Fußball momentan von einem Manipulationsskandal erschüttert, der sich als der größte in der Geschichte des Profisports entpuppen könnte. Mehr als hundert Verdächtige sind verhaftet worden, darunter auch Hilberts Trainer Tayfur Havutcu. Aber unten am Ufer versichert Hilbert erst einmal, dass er keinen Gedanken an einen Wechsel verschwende. Dass er vom beschaulichen VfB Stuttgart zum traditionsreichsten Klub der 13-Millionen-Metropole gegangen ist, das habe ihn ausgestattet mit einer "Lebenserfahrung, die mir keiner mehr nehmen kann".

Was durchaus auf Gegenseitigkeit beruht: Die Fans wollen sich nicht nur mit ihm fotografieren lassen, sie haben ihn auch ins Herz geschlossen. Dafür, dass er aufopferungsvoll die rechte Außenbahn umpflügt, haben sie ihn "Tren" getauft. Den deutschen Kollegen Fabian Ernst, der schon seit 2009 für Besiktas spielt, nennen sie dagegen liebevoll "Panzer". Hilbert kann sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er das erzählt: "Da bin ich doch lieber der Zug als der Panzer."

Auch sportlich laufe es momentan für ihn "ganz gut". Dass er, der immerhin acht Mal in der deutschen Nationalmannschaft spielte, in dieser Saison in Liga und Europapokal bislang nur auf drei Einsätze kam, zwei davon als Einwechselspieler? Kein Problem, sagt er, in der Türkei dürfen halt nur sechs Ausländer gleichzeitig auf den Platz, Besiktas aber hat dreizehn im Kader. Außerdem fing die letzte Saison "ähnlich schlecht an und am Ende kam ich doch auf meine Einsätze". Dann nippt er von seinem Tee, er blickt hinüber auf die asiatische Seite der Stadt, wo das Trainingsgelände von Besiktas liegt, und man glaubt ihm durchaus die Ruhe, die er zu demonstrieren versucht.

Doch was ist mit diesem Bestechungsskandal? Der ist "unter uns Spielern momentan kaum noch Thema". Der eine Grund ist, dass die Saison, wenn auch mit Verspätung, wieder begonnen hat und Besiktas mitten in englischen Wochen steckt. Der zweite, sehr viel wesentlichere Grund ist, dass die Regierung eine Berichterstattung einfach verboten hat. "Wenn man sieht, wie viele Leute da festgenommen wurden und was da an Anschuldigungen im Raum steht", sagt Hilbert, dann ist die von oben erfolgreich verfügte Rückkehr zum Fußballalltag "schon seltsam".

Der Trainer im Knast

Spätestens bei den Trainingseinheiten werden Hilbert und seine Kollegen allerdings an den Skandal erinnert. Denn eine von dessen Folgen ist, dass Besiktas nun von einer babylonischen Sprachverwirrung heimgesucht wird. War doch der nominelle Cheftrainer Havutcu aus dem sommerlichen Trainingslager in Österreich nach Istanbul zum Verhör bestellt und gleich dabehalten worden. Gut zwei Wochen später versicherte die Vereinsführung, dass sie fest an Havutcus Unschuld glaubt, und präsentierte den als Co-Trainer vorgesehenen Portugiesen Carlos Carvalhal als Interimslösung.

Seitdem sind drei Dolmetscher nötig, um den Trainingsbetrieb aufrechtzuerhalten: Der neue Cheftrainer hält seine Ansprachen in seiner Muttersprache, durchaus sinnvoll bei sechs portugiesischen und zwei brasilianischen Profis sowie dem Spanier Guti, der sich aber gerüchtehalber mit dem portugiesischen Trainer überworfen hat, weil er das türkische Nachtleben zu intensiv studiert haben soll. Dann überträgt der erste Dolmetscher die Ansprache ins Türkische. Daraufhin übersetzt der zweite Dolmetscher das Türkische ins Tschechische (für die Herren Tomas Sivok und Filip Holosko) und der dritte ins Englische (für Hilbert und Ernst). Manchmal helfen auch deutsch-türkische Kollegen mit einer deutschen Übersetzung aus.

Kaum weniger verwirrt, sogar "wie vor den Kopf gestoßen" war Hilbert, als die Manipulationsvorwürfe öffentlich wurden. Wo bin ich da reingeraten, hat er sich gefragt, damals im Sommer. Mittlerweile nennt er die Tatsache, dass der eigene Trainer im Knast sitzt, nur mehr "eine kuriose Situation". Der Fußball geht weiter, muss weitergehen und die Ziele für den Klub hätten sich nicht geändert: "Besiktas muss jedes Jahr Meister werden und den Pokal gewinnen." Das klappt aber nicht immer, schon weil die beiden anderen Istanbuler Großklubs Fenerbahce und Galatasaray exakt dieselben Zielvorgaben von Fans und Vorständen zu erfüllen haben.

Deutschland ist weit weg

Eine Meisterschaft, vielleicht ein paar spektakuläre Spiele in der Europa League. Für Hilbert geht es auch immer noch um eine Rückkehr in die Nationalmannschaft. 2008 hatte er seinen letzten Einsatz im DFB-Trikot. "Ein Stück Hoffnung" habe er da schon noch bewahrt. Schließlich ist der Franke erst 27 Jahre alt, er wähnt sich zu Recht "im besten Fußballeralter". Er weiß aber auch, er ist trotzdem nicht nur räumlich weit weg von einer deutschen Auswahl, in die immer neue 19- oder 20-Jährige nachrücken.

Das mit dem türkischen Meistertitel kann aber schon mal nicht schaden. In der vergangenen Saison hat es immerhin zum Pokal gereicht. Den hat Besiktas aber schon wieder zurückgegeben, prophylaktisch. Denn das Finale ist - trotz Verlängerung und Elfmeterschießen - eines der Spiele, die unter dem Verdacht stehen, verschoben worden zu sein.

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