: Robert ist Mitte 30
■ Eine Dreieckskomödie aus der DDR
Mit dem Fim Die Entfernung zwischen dir und mir und ihr aus dem Jahre 1988 versucht der DDR-Regisseur Michael Kann eine Dreiecksgeschichte als Komödie zu inszenieren.
Eigentlich sollte die Ostberliner Journalistin Marga (Kirsten Block) die zum Popstar avancierte Sängerin Anne (Silvia Rieger) interviewen. Aber plötzlich ist sie mittendrin in Annes Geschichte. Sie verliebt sich in Annes ehemaligen Freund (Jörg Simonides), der ihr von seinem Leben und seiner gescheiterten Beziehung erzählt. Marga hört zu und verstrickt sich für kurze Zeit in die Geschichte, die inzwischen Robert gehört.
Robert ist Mitte 30, Antiquar, verkannter Dichter, hoffnungsloser Romantiker und ein typischer Verlierer. Als er im Trenchcoat Humphrey Bogart zitiert und dabei über die Bordsteinkante stolpert, wirkt er, wie jeder gebrochene Kinoheld, komisch und tragisch zugleich. Und obwohl viele der Gags und Anspielungen auf filmische Vorbilder abgegriffen sind, verlocken sie dennoch zu einem leisen Lachen.
Natürlich hat Robert Probleme, vor allem mit Frauen. „Meine Erfolgsquote liegt noch unter der von Robinson Crusoe“, resümiert er achselzuckend in trauter Männerrunde. Als er Marga seine Geschichte erzählt, versucht er die zahlreichen Mißerfolge mit flotten Sprüchen zu überdecken. Rückblenden unterbrechen seine witzigen Schilderungen und berichten von einer anderen, weniger komischen Wirklickeit, in der Geschirr fliegt und Tränen fließen. Hinter der Komödie lauert die Tragödie.
Zwischen Roberts Geschichte streut Regisseur Michael Kann Szenen, die beiläufig Ärger und Mißstände des DDR-Alltags einfangen, ein lakonischer Nebensatz über den nach Bitumen schmeckenden Käse, eine kleine Randbemerkung über Wurst in Dosen. In einer romantischen Balkonszene führt Marga ihre knirschenden Zähne auf die schlechte Luft zurück. Sichtbarer wird Kritik während eines Besuchs bei Roberts Vater. An einen Baum gekettet, wehrt er sich gegen die Abrißbagger des nahegelegenen Bergwerks.
Was als Komödie begann, wandelt sich langsam zur Tragödie. Immer häufiger durchkreuzen Rückblenden Roberts Geschichte und zerstören die Linearität der Handlung. In Roberts Wahrnehmung verschwimmen Gegenwart und Vergangenheit. Marga, der er erzählt, und Anne, von der er spricht, verschmelzen schließlich zu einer einzigen Person.
Und dann kommt plötzlich das Ende und mit ihm der schwächste Teil des Films. Indem so getan wird, als ob all das, was auf der Leinwand zu sehen war, gar nicht geschehen wäre, ist der Film am Schluß dort, wo er angefangen hat: Während sie mit Robert Hand in Hand durch Ost-Berlin schlendert, erzählt Anne von einem bervorstehenden Interviewtermin.
Also war alles nur ein Traum? Keine Marga, keine Trennung oder doch? Das geschulte Auge errät, hier soll Die Entfernung zwischen dir und mir und ihr (oder das Medium Film?) in wenigen Sekunden überdeutlich entlarvt werden. Damit unterschätzt Michael Kann jedoch das Publikum - und seinen Film, der insbesondere durch die vielen Rückblenden die illusionistische Wirkung des Mediums zur Genüge durchbrochen hat.
Oder sollte es sich bei der Schlußsequenz um einen letzten Versuch handeln, dem Film jene Leichtigkeit, die er am Anfang besaß, wiederzugeben? Eine Komödie eine Komödie sein zu lassen und einfach nur Geschichten zu erzählen ist schwierig.
Michaela Lechner
Die Entfernung zwischen dir und mir und ihr. DDR 1988. Regie: Michael Kann. Mit Kirsten Block, Silvia Rieger, Jörg Simonides. 35 mm, Farbe, 89 Min.
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