Risiko-Standort Gorleben: Merkel soll über Salzstock aussagen
Als einstige Umweltministerin soll Merkel auf Kosten der Sicherheit gehandelt haben, sagen Grüne. Deshalb wollen sie die Kanzlerin im Bundestags-Untersuchungsauschuss vernehmen.

BERLIN taz | Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) könnte bald von ihrer Vergangenheit als Bundesumweltministerin eingeholt werden. Die Grünen wollen Merkel im Bundestags-Untersuchungsausschuss zum geplanten Atommülllager in Gorleben vernehmen. Sie werfen ihr vor, in ihrer Zeit als Bundesumweltministerin, das Amt bekleidete sie von 1994 bis 1998, die Erkundungsbereiche im Salzstock Gorleben nur aus Kostengründen eingeschränkt zu haben. Für die weitere Untersuchung sei dadurch eine neue Genehmigung erforderlich geworden, die aber nie beantragt wurde.
Der Ausschuss soll die Umstände klären, unter denen Gorleben zum geplanten Endlagerstandort bestimmt wurde. Die Grünen haben nun einen Zwischenbericht geschrieben - mit vernichtendem Ergebnis: Der Standort sei willkürlich ausgewählt worden, die Geologie ignoriert, Wissenschaftler diskreditiert, die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden.
Im letzten Kapitel des Berichts wird ein Ausblick auf die zukünftige Arbeit des Untersuchungsausschusses gegeben. Die politischen Entscheidungen der 90er Jahre wurden in dem Gremium bislang nämlich noch nicht näher beleuchtet. Vorliegende Akten zeichneten aber bereits ein schlechtes Bild von der damaligen Umweltministerin Merkel. Die Erkenntnisse müssten "im weiteren Verlauf der Ausschussarbeit lückenlos aufgeklärt werden", so die Forderung in dem Papier, das der taz vorliegt.
Die Grünen werfen der CDU-Politikerin vor, unnötige Gefahren in Kauf genommen zu haben, damit die Kraftwerksbetreiber ihren Entsorgungsnachweis für Atommüll behalten konnten. Andernfalls hätten Atomreaktoren abgeschaltet werden müssen, "verbunden mit milliardenschweren Entschädigungsforderungen seitens der AKW-Betreiber gegenüber dem Bund", heißt es in dem Bericht. Um das zu verhindern, habe Merkel auf eine zügige Weitererkundung des Salzstocks gedrängt, obwohl dies in vielen Bereichen aus rechtlichen Gründen nicht möglich war. Zudem sei damit der Rahmenbetriebsplan - die rechtliche Grundlage für die Erkundung - ungültig geworden, eine neue Genehmigung hätte beantragt werden müssen. Die Regierung hingegen hält das bis heute für nicht erforderlich. Sollte sie ihre Meinung ändern, könnte dies aus Sicht der Grünen das Aus für Gorleben bedeuten. Sylvia Kotting-Uhl, atompolitische Sprecherin der Fraktion, sagt: "Um den Salzstock als geeignet bezeichnen zu können, muss er vollständig erkundet sein."
FELIX WERDERMANN
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier