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Archiv-Artikel

Bernado Bertoluccis „Der letzte Tango in Paris“ läuft im Metropolis Riesige schockwellen

Über 30 jahre ist der letzte tango in Paris jetzt alt, aber in sachen sex im kino ist er nicht nur wegen der sache mit der butter heute auch denen ein begriff, die ihn noch nicht bei seiner erstaufführung im jahr 1972 sahen. So sehr einen dessen sexszenen auch heute noch zu schockieren vermögen – oder besorgt das eher Bertoluccis durchgängig schonungslose inszenierung? –, so wenig macht man sich als nachgeborener wohl eine vorstellung von der größe der schockwellen, die der „umstrittenste film des jahrhunderts“ in den frühen siebzigern schlug.

Mochte die im zuge der 68er revolte losgetretene sexuelle revolution samt einer ganzen welle von aufklärungsfilmen auch bereits in vollem gange gewesen sein: Harte sexszenen in einem autorenfilm mit einem sichtbar gealterten Marlon Brando und der zwanzigjährigen Maria Schneider waren nicht nur dem prüden kulturbürgertum jener jahre zuviel. Mit schlagzeilen wie „ganz Paris kann Brando nackt sehen“ stachelten Bild und Bild am Sonntag vor allem in den wochen vor dem Deutschland-start die öffentlichkeit auf. Dass der letzte tango schon sehr früh das etikett ‚skandalfilm‘ aufgedrückt bekam, rührte nicht zuletzt daher, dass sein produzent Antonio Grimaldi nur ganz wenige vorabaufführungen zuließ. Die folge waren krasse vorverurteilungen eines kaum bekannten films. In Italien wurde der letzte tango in Paris gar als obszön eingestuft und schließlich verboten.

In den USA, wo der letzte tango in Paris beim New York Film Festival seine uraufführung erlebte, wurde dessen rezeption durch eine frühe besprechung von Pauline Kael befeuert. Die damals sehr einflussreiche kritikerin des New Yorkers sah im letzten tango einen meilenstein der filmgeschichte, wie es die aufführung von Strawinskis le sacre du printemps 1913 für die musikgeschichte gewesen sei, und nannte ihn den „kraftvollsten erotischen film, der jemals gemacht wurde“ und der sich auch als der befreiendste erweisen könne.

Für Marlon Brando bedeutete der letzte tango von Paris neben dem kurz zuvor gedrehten paten ein comeback als schauspieler, dem jedoch außer in apocalypse now keine auch nur annähernd so intensiv ausgefüllte rolle mehr folgen sollte. Bernado Bertolucci, der bis dahin vor allem als politischer filmemacher geschätzt worden war, verlor mit der letzte tango in Paris viele seiner anhänger. Und das, obwohl der regisseur von il conformista, dessen hauptdarsteller Jean-Louis Trintignant er ursprünglich für Brandos part im sinn hatte, doch eigentlich nur konsequent das private zum politischen gemacht hatte.

Interessant ist der in englisch gedrehte der letzte tango in Paris, den das Metropolis als „re-edition“ (leider nur auf deutsch) zeigt, auch im vergleich zu Bertoluccis in sachen sex schon fast wieder zahmem the dreamers aus dem vorigen jahr. Statt zwei personen in einem wie von der außenwelt abgeschlossenen apartment sind es dort drei. Aber die begierden junger cinephilen sind im grunde dieselben wie die des amerikaners Paul (Brando) und der französin Jeanne (Schneider) im letzten tango, wenn auch zunächst noch deutlich unschuldiger. Im grunde genommen sind sie eher dieselben wie die von Jeannes verlobtem, dem jungen cinema verité-filmer, den Jean-Pierre Léaud spielt. Eckhard Haschen

Fr 21.45, sa 21.15, so 19, mo 21.30, di 19.15, mi 21.30 Uhr, Metropolis