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„Riesenkanone“ für Irak gestoppt

Britischer Zoll beschlagnahmt 40 Meter langes Rohr Harmlose Erdölleitung oder größte Kanone der Welt?  ■  Aus London Ralf Sotscheck

Wodurch unterscheidet sich eine Riesenkanone von einer Erdölleitung? Durch nichts - nach Ansicht des britischen Verteidigungsministeriums. Zollbeamte beschlagnahmten am Mittwoch abend in Middlesborough eine Schiffsladung Stahlrohre, die für das irakische Industrieministerium bestimmt waren. Nach Ansicht des britischen Verteidigungsministeriums hätte der Irak damit das größte Artilleriegeschütz der Welt mit einem Kanonenrohr von 40 Metern Länge und einem Kaliber von einem Meter bauen können. Mit einem solchen Geschütz könnten Kampfgas- und Atomgranaten bis nach Teheran und Tel Aviv gefeuert werden, hieß es.

Die Rohre sind von einer Schmiede in Sheffield hergestellt worden. Philip Wright, der Sprecher von „Forgemasters Sheffield“, sagte am Donnerstag, daß seine Firma „reingelegt“ worden sei, falls es sich bei der Ladung tatsächlich um ein Kanonenrohr handele. Bereits vor zwei Monaten habe der Irak eine Kanone bei Forgemasters bestellt. Das britische Industrieministerium habe das Geschäft jedoch verhindert, sagte Wright. Er fügte hinzu, daß auch der neue Auftrag mehrmals vom Ministerium überprüft worden sei.

Der irakische Botschafter in London, Shafiq Al Sahili, beschuldigte die britische Regierung, eine Verleumdungskampagne gegen den Irak zu führen. Die Rohre seien für ein erdölchemisches Projekt bei Bagdad bestimmt. Der irakische Außenminister Tarik Asis sagte am Donnerstag, die Briten würden vermutlich auch behaupten, der Irak Fortsetzung auf Seite 2

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baue Atombomben, wenn Bagdad eine Schachtel Pralinen kaufen würde. Präsident Saddam Hussein forderte gestern die Staaten des Nahen Ostens auf, einen Sperrvertrag für Atom- und Chemiewaffen zu unterzeichnen. Wegen des erneuten Zwischenfalls stehen die diplomatischen Beziehungen zwischen London und Bagdad kurz vor dem Zusammenbruch. Nach der Hinrich

tung des britischen Journalisten Bazoft wegen angeblicher Spionage und der Beschlagnahmung von 40 irakischen Atombombenzündern auf dem Londoner Flughafen Heathrow im März war das Verhältnis ohnehin gespannt. Unabhängige britische Militärexperten bezweifelten gestern die Geschütz -Theorie des Verteidigungsministeriums: Im Zeitalter der Raketen sei es höchst unwahrscheinlich, daß ein Land Artilleriegeschütze baue, die über eine relativ geringe Reichweite und Zielgenauigkeit verfügen.

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