Riesen-Arena: Eröffnung mit Verspätung
Mehr als 1.300 Demonstranten tanzen und protestieren gegen die Eröffnung der O2 World am Ostbahnhof. Mehreren Aktivisten gelingt es auch, die Feier im Inneren der Megahalle zu stören.
Als am Mittwochabend gegen halb elf die Arena O2 World zur Musik von Rammstein die Feuerwerkskörper in den Himmel schießen und auf der gewaltigen Leuchttafel an der Halle Slogans wie "Raum für Kraft" erscheinen, fahren vor dem Eingang noch einmal zahlreiche Hände in die Höhe - und recken ihre Stinkefinger der frisch eröffneten Mehrzweckhalle entgegen. Ein letzter Rest des Protestes, der die feierliche Eröffnung der Arena im Laufe des Tages begleitet hat.
Im Inneren der Halle feiern rund tausend geladene Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Es kommen unter anderem die Schauspielerin und Sängerin Jeanette Biedermann, der Schauspieler Jan Josef Liefers und der Boxer Wladimir Klitschko.
Eine Halle von dieser Dimension habe der Stadt lange gefehlt, freut sich Klaus Wowereit (SPD). Der Regierende Bürgermeister lobt das Engagement des US-Investors Philip Anschutz - es zeige, dass in Berlin auch große Projekte verwirklicht werden könnten, "ohne finanzielle Unterstützung staatlicher Stellen". Die Arena werde der Gravitationspunkt sein für die Entwicklung eines ganz neuen lebendigen Stadtquartiers im Herzen der Hauptstadt.
Dass es sich dabei weniger um ein lebendiges als vielmehr um ein profitables Quartier handeln soll, fürchten die rund 1.300 Menschen, die sich gegen 18.30 Uhr am Kottbusser Tor zu einer Demonstration gegen die Halle versammeln. "Weg mit der Scheißhalle", fordern sie auf einem großen Transparent in Pink, "Mediaspree versenken" steht auf zahlreichen Fahnen.
Die O2-Arena ist Teil des umstrittenen Großprojektes Mediaspree, in dessen Rahmen entlang dem Kreuzberger und Friedrichshainer Spreeufer zahlreiche Großbauten errichtet werden sollen. Gegner des Projekts befürchten, dass es zu einer Aufwertung und Kommerzialisierung des Viertels beitragen werde, zu Mieterhöhungen und der Verdrängung.
Nach Angaben der Polizei verlief die Demonstration überwiegend friedlich. Wegen polizeilicher Auflagen ziehen die DemonstratInnen zunächst nur bis zum Rummelsburger Platz, der etwa 300 Meter vor der Halle entfernt liegt. Die Polizei ist mit rund 600 Beamten im Einsatz, um den Ort der Feierlichkeiten zu schützen.
Besonders erfolgreich ist sie dabei nicht. Die für das Bürgerfest errichtete Zeltstadt ist zu diesem Zeitpunkt größtenteils menschenleer, dafür haben sich bis 20 Uhr rund 400 Protestierende vor dem Eingang der Halle versammelt und dominieren bis zum späten Abend mit Sprechchören, Transparenten und Musik das Geschehen.
Ein Teil der DemonstrantInnen ist bereits am Ostbahnhof in die S-Bahn gestiegen und von der Warschauer Straße zur Halle gelangt, ein anderer Teil hat sich - einem Aufruf der Gruppe "Hedonistischen Internationale" folgend - in Bluse und Jacket unter die BesucherInnen gemischt, um bis zum Eingang zu gelangen.
Weil DemonstrantInnen zeitweise die Einfahrt zu den Parkplätzen blockieren, beginnt die offizielle Eröffnungsfeier eine halbe Stunde später als geplant.
Kurz nach 20 Uhr übernehmen mehrere DemonstrantInnen auch noch das offene Mikrofon des Senders Spreeradio, der live von einer Bühne vor der Halle sendet. Rund 20 Polizeibeamte stürmen die Bühne und nehmen zwei Aktivisten fest. Bei dem Einsatz wird ein Teil der Bühnenausrüstung beschädigt.
Etwa zur gleichen Zeit gelingt es auch mehreren Protestierenden, bis zum VIP-Eingang der Halle vorzudringen. Sie bemalen eine Werbewand, vor der Prominente fotografiert werden sollen, ein Aktivist entblößt sein Hinterteil, andere werfen Konfetti, ehe Sicherheitskräfte einschreiten und die AktivistInnen aus der Halle bringen. Nach Angaben der Polizei werden im Laufe des Abends 13 Personen vorübergehend festgenommen, bei weiteren 9 Personen werden die Personalien aufgenommen.
Nach Angaben von Demonstranten sind bis zum Donnerstagnachmittag alle Festgenommenen wieder frei. Die Gruppe "Mediaspree versenken", die unter anderem zu den Aktivitäten aufgerufen hat, wertet die Proteste als vollen Erfolg. "Wir sind sehr zufrieden", sagt Lars Kuntska von "Mediaspree versenken". Außer den Protestierenden seien kaum BesucherInnen zum Event gekommen. "Selbst massiver Polizeischutz konnte dies nicht verschleiern."
Von der Anschutz Entertainment Group ist am heutigen Donnerstag keine Stellungnahme zu erhalten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag