Riegers braunes Hotel: "Das sind Leute, die auch hinlangen"

Mehr als einmal kündigte NPD-Funktionär Jürgen Rieger ein Neonazi-Zentrum an. In Faßberg könnte es klappen. Die Anwohner protestieren dagegen mit einer Mahnwache.

Kein 5-Sterne-Hotel, aber hoffentlich auch keins mit Hakenkreuzen. Bild: dpa

Stimmengewirr, lautes Lachen und wehende Reichsfahnen. In der Nacht zum 2. August herrscht vor dem ehemaligen Hotel "Landhaus Gerhus" reges Treiben. Etwa 50 Neonazis sind hier seit dem späten Abend von einer Demonstration im nahen Bad Nenndorf eingetrudelt und feiern. Solche Szenen könnten sich im niedersächsischen Faßberg künftig öfter abspielen. Vieles deutet darauf hin, dass der NPD-Multifunktionär und Anwalt Jürgen Rieger hier eine dauerhafte Residenz für die Neonaziszene unterhalten will.

"Die Erkenntnisse für ein solches Vorhaben verdichten sich", sagt Maren Brandenburger vom niedersächsischen Verfassungsschutz. "Rieger redet seit Jahren davon, ein Zentrum zu eröffnen. Die Szene erwartet langsam Taten." Und auch der Bürgermeister von Faßberg, Hans-Werner Schlitte, glaubt: "Die Rechtsextremen haben ein ernsthaftes Interesse an der Nutzung der Immobilie."

Seit gut zwei Wochen hat sich die "Kameradschaft 73 Celle" unter ihrem Anführer Dennis Bührig in dem Hotel einquartiert. Wenn die 50 Demonstrationsteilnehmer wieder gehen, wird die "Kameradschaft" bleiben. Im Auftrag von Rieger habe man die Schlösser aufgebohrt, erklärte Bührig. Außerdem werde renoviert. An ein Holzschild nahe der Einfahrt zu dem rund 8.000 Quadratmeter großen, parkähnlichen Hotelgrundstück hängten die Neonazis ein Transparent: "Wir sind gekommen um zu bleiben".

Am vergangenen Wochenende waren die Rechtsextremen viel unterwegs: Im niedersächsischen Bad Nenndorf marschierten etwa 600 Neonazis auf, um an die "Verbrechen der Alliierten" in dem Ort zu erinnern. Im dortigen Verhörzentrum der britischen Besatzungsmacht war es zu Misshandlungen von Häftlingen gekommen, die die Briten allerdings selbst aufdeckten. Seit 2006 organisieren die Rechtsextremen deshalb Märsche, in denen die Gräuel des Zweiten Weltkrieges den Alliierten angelastet werden.

Sowohl in Nenndorf als auch im hessischen Friedberg, wo am Samstag etwa 180 Rechtsextreme gegen die angebliche Islamisierung Deutschlands aufliefen, stellten sich den Neonazis Gegendemonstranten entgegen. In Friedberg blockierten 1.700 Menschen die Route, daraufhin reisten die Rechtsextremen nach Nidda weiter. Auch dort hinderte sie eine Blockade an ihrem Aufmarsch.

Dafür, dass sie es ernst meinen, spricht mehreres. Erstens die Lage des Hotels: Es ist von fünf Bundesländern aus gut zu erreichen, und die regionale rechte Szene ist relativ stark. Im nicht weit entfernten Eschede trifft sie sich häufiger zu Sonnenwendfeiern auf einem Hof.

Außerdem lag der beliebte Neonazitreff Hetendorf ganz in der Nähe. Bis vor knapp zehn Jahren gehörte Rieger knapp 15 Autominuten von Faßberg entfernt ein Anwesen. Mehr als 20 Jahre lang kamen dort rechtsextreme Organisationen zu Unterricht in "Rassenkunde", pseudogermanischen Festen und Wehrsportübungen zusammen. Langer Protest führte 1998 zu einem Verbot von Riegers Trägervereinen. Seitdem sucht er nach Ersatz.

Zu guter Letzt spricht einiges dafür, dass die Eigentümer des Hotels eng mit Rieger verbandelt sind. Rainer Hennies, der die Verhandlungen für seine Familie führt, gibt sich gern unpolitisch. Er mache nur deswegen mit Rieger Geschäfte, weil der bei einem eventuellen Kauf mehr Geld biete als die Gemeinde - nämlich 1,3 Millionen Euro.

Ein Reiner Hennies taucht allerdings in einem Protokoll der rechtsextremen "Bauernhilfe" um die Holocaust-Verharmloserin Ursula Haverbeck-Wetzel auf. In dem Dokument vom 20. 6. 2004 wird Hennies als Kassenwart vorgeschlagen. Dass sein verstorbener Vater Karl ebenfalls Rieger kannte, sagte er selbst einigen Lokalzeitungen. Auf der Internetseite des Hotels steht einsam die Adresse einer Siv Annette von Fintel. Sie kennt Rieger seit Jahren und hatte bereits beim Internethändler eBay versucht, eines seiner Häuser in Hameln zu verkaufen.

Ob Jürgen Rieger das Hotel tatsächlich behalten darf, ist nicht klar. Die Eigentümerfamilie hat laut Bürgermeister Schitte nämlich ungefähr 600.000 Euro Schulden. Vor Gericht erwirkten Gläubiger das Einsetzen eines Zwangsverwalters. Rieger will das Gebäude aber für 600 Euro monatlich gemietet haben. Der entsprechende Pachtvertrag trägt das Datum vom 26. 5. 2009 - einen Tag vor der Gerichtsentscheidung. Zwangsverwalter Jens Wilhelm zweifelt deshalb den Pachtvertrag an. Auch der niedrige Mietpreis stößt ihm auf. "Die Summe ist sittenwidrig, da die Gläubiger unter ihr leiden", sagt er. "Und selbst wenn Rieger recht haben sollte, dass der Pachtvertrag wirksam ist, hatte er nicht das Recht, die Schlösser aufzubohren."

Am Dienstag entscheidet das Landgericht Lüneburg, ob Rieger oder Wilhelm recht hat. Urteilt es für Wilhelm, so wird dieser bei der Polizei eine Räumung erwirken. Die Neonazis haben passiven Widerstand angekündigt. Die Beamten müssten sie wohl heraustragen.

Gegen die "Besetzung durch die Rechten" protestieren die Anwohner seit über einer Woche täglich mit einer Mahnwache direkt gegenüber dem Hotel. Dazu aufgerufen hat Anna Jander, denn auch sie glaubt: "Rieger will bei uns ein Nazizentrum einrichten."

Mehr als 60 Neonazi-Gegner stehen wochentags vor dem Hotel, am Sonntag waren es 300. "Alles Anwohner", sagt Jander. Viele sind die drei Kilometer aus Faßberg zu Fuß gekommen, andere mit dem Rad. Auf dem Hotelgelände liefen auch kleine Kinder herum, berichtet eine 83-jährige Dame. Von ihrem Grundstück aus kann sie direkt auf das "Gerhus" schauen. "Das ist schon alles sehr bedrohlich", sagt sie. Einschüchtern lassen will sie sich dennoch nicht: "Ach, nein, so weit kommt es noch", sagt sie und lächelt - auch dann noch, als die Neonazis die Demonstranten fotografieren.

Diese Gelassenheit stellen die Rechtsextremen mit ihrer martialischen Show auf die Probe. Auf dem Grundstück patrouillieren sie mit Kampfhunden. Vor zwei Wochen sollen dort laut Polizei Schüsse gefallen sein, als Linke auf das Gelände kamen. In den vergangenen Monaten fanden Ermittler bei Razzien in der regionalen Neonaziszene mehrere Waffen. Weil die Polizei eine Eskalation befürchtet, steht sie immer in der Nähe des Hotels. Erst kürzlich warnte der Präsident des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Günter Heiß, noch einmal vor Bührig und seinen Kameraden: "Das sind Leute, die auch hinlangen."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.