: Richter gegen Naziaufmarsch
In einem offenen Brief fordern 24 Bochumer Richterinnen und Richter den Polizeipräsidenten auf, die Neonazi-Demo gegen den Neubau der Synagoge zu verbieten. Dem fällt die Entscheidung schwer
VON MIRIAM BUNJES
„Synagogenbau stoppen – vier Millionen fürs Volk“ fordert die Bochumer NPD in ihrem Internetauftritt. Mit dieser Forderung wird sie am 13. März auch durch die Bochumer Innenstadt ziehen – wenn Polizeipräsident Thomas Wenner sie nicht stoppt.
„Die Demonstration ist eine derartige Provokation gegen die jüdische Gemeinde und das demokratische Empfinden aller Bochumer, dass sie verboten werden muss“, sagt der Bochumer Richter Ralf Feldmann. Seine Kolleginnen und Kollegen sehen das genauso. Deshalb flatterte gestern ein Schreiben auf den Tisch des Bochumer Polizeipräsidenten, in dem er aufgefordert wird, dem braunen Spuk so schnell wie möglich eine Absage zu erteilen. „Wer sich dem Bau einer neuen Synagoge in den Weg stellt, reiht sich 65 Jahre später erneut in die Reihe derer ein, die die alte in Schutt und Asche legten“, schreiben die Richter. Und das, erklärt Ralf Feldmann, sei ein offensichtlicher Verstoß gegen das Grundgesetz.
„Es ist rechtlich auf jeden Fall möglich, die Demonstration zu verbieten“, sagt Ralf Feldmann. „Mit dem Brief wollen wir Herrn Wenner die Entscheidung erleichtern.“
Die Rechtslage ist allerdings kompliziert, denn schon oft hat das Bundesverfassungsgericht der Demonstrations- und Meinungsfreiheit den Vorrang gegeben. „Das ist auch manchmal richtig“, sagt Ralf Feldmann. „In diesem Fall aber nicht.“ Eine Demonstration gegen eine Synagoge störe unmittelbar die öffentliche Ordnung und könne deshalb gemäß Paragraph 15 des Versammlungsgesetzes verboten werden, schreiben die Richter. Es würde schließlich unmittelbar an Naziverbrechen angeknüpft und das sei eine erhebliche Provokation.
In der Regel verbietet das Bundesverfassungsgericht Nazidemonstrationen nur, wenn sie mit dem Strafrecht in Konflikt geraten – beispielsweise durch die Verbreitung der Ausschwitzlüge. Die Bochumer Richter weisen den Polizeipräsidenten jedoch auf die einzige Ausnahme dieser Regel hin: In Hamburg wurde eine rechtsextreme Demonstration am Holocaust-Gedenktag verboten, weil die Richter des Verfassungsgerichts darin eine „deutliche Beeinträchtigung des sittlichen Empfindens“ sahen. „Da hier unmittelbar gegen die jüdische Religionsausübung vorgegangen wird, liegt diese Beeinträchtigung hier auch vor“, sagt Feldmann.
Überzeugen konnten sie den Polizeipräsidenten bislang noch nicht. „Wir haben uns noch nicht entschieden“, lässt Thomas Wenner über seinen Pressesprecher mitteilen.
Der Druck auf ihn wird jedoch weiter wachsen: In den kommenden Tagen wird im Stadtrat eine Resolution gegen die Demonstration diskutiert. „Niemand im Rat ist für die Demonstration“, ist sich der Grüne Manfred Preuß sicher. SPD und Grüne haben sich bereits hinter die Richter gestellt.
Der Landesverband der NPD regt sich unterdessen über „undemokratische Einflussnahme“ der Richterinnen und Richter und „bald auch der Parteien“ auf den Polizeipräsidenten auf. Man arbeite offensichtlich eng „mit den Linksextremisten“ zusammen.
Wenn sich Polizeipräsident Wehner gegen ein Demonstrationsverbot entscheidet, will die grüne Ratsfraktion sofort eine Gegendemonstration anmelden, sagt Manfred Preuß. „Ich gehe aber davon aus, dass er sich auf die Kompetenz der Richterinnen und Richter verlassen wird.“