Richard Freitag bei der Skiflug-WM: Oben nervös

Keine drei Wochen nach seinem schweren Sturz in Innsbruck gewinnt der wiedergenesene Richard Freitag Bronze bei der Skiflug-WM.

ein Mann beim Skifliegen

Richard Freitag am 20. Januar in Obersdorf Foto: dpa

OBERSDORF taz | Es hat schon ein wenig gedauert bei Richard Freitag, bis richtige Freude aufkam. Dabei hatte er doch gerade Bronze gewonnen bei der Skiflug-Weltmeisterschaft. „Es ist schon ein komisches Gefühl“, sagte der 26-jährige Skispringer, „wenn man auf die Schanze hochfährt, sich auf seinen Sprung vorbereitet und dann abgebrochen wird.“ Zu viel Wind ließ am späten Samstagnachmittag einen vierten Durchgang nicht mehr zu.

Ähnlich wie Freitag erging es auch Daniel André Tande. Der Norweger schaute mächtig verdutzt, als Kamil Stoch ihm zum Sieg gratulierte. Der Sieger der Vierschanzentournee anerkannte die Überlegenheit des Norwegers an diesem Wochenende. Der hatte schon in der Qualifikation den Schanzenrekord um einen halben Meter auf 238,5 Meter verbessert. Danach war der 23-Jährige bei zwei von drei Versuchen der Beste.

Vor allem Freitags Leistung war nicht unbedingt zu erwarten. Keine drei Wochen ist es her, dass er beim Springen am Bergisel in Innsbruck gestürzt war und sich an der Hüfte starke Prellungen zugezogen hatte. Seitdem war er nicht mehr gesprungen. Doch er kehrte zurück, als sei nie etwas gewesen. Vier von fünf Sprüngen zog er bis über die 200-Meter-Marke. Dabei sei schon der erste Trainingssprung auf 207 Meter der Schlüsselsprung gewesen. „Mental war das eine der größeren Leistungen“, lobte Bundestrainer Werner Schuster. Die Flugschanze sei eben eine Flugschanze. „Nach einer Pause muss man die Geschwindigkeit, das Drehmoment wieder aufnehmen“, ergänzte der Coach. Freitag gestand hinterher: „Ich war oben nervös.“

Nach seinem guten Start in die Saison hatte der Sachse durchaus mit einer Medaille geliebäugelt. Dann kam der Sturz. Beim Neustart in seiner neuen Heimat Oberstdorf war ein Restrisiko dabei. „Wir haben alles vorbereitet und probiert“, sagte Freitag, „aber auf der Schanze ist alles noch einmal anders.“ Trainer Schuster relativierte die Schwere des Sturzes. „Der Sturz war nicht in dem Maße schlimm, dass er sich wieder ans Limit herantasten musste. Es war ein Sturz, der bewältigbar ist.“

25.000 Zuschauer

Auch Daniel André Tande hat so ein Schlüsselerlebnis schon hinter sich. Es war am 6. Januar 2017, beim abschließenden Springen der Vierschanzentournee kämpfte er mit Stoch um den Gesamtsieg. Beim letzten Sprung hatte er jedoch einen Clip an seinem Schuh nicht richtig befestigt. Nur mit Mühe konnte er einen Absturz vermeiden. Es blieb Platz drei in der Endabrechnung. „Hätte damals alles gepasst, wäre ich heute ein anderer Mensch“, sagt er ein Jahr später.

Tande, Stoch und Freitag fanden’s schade, dass sie nicht noch einmal fliegen durften. Zum einen wegen der Endorphine, die bei so einem Flug freigesetzt werden. Zum anderen aber auch wegen der Emotionen. 25.000 Zuschauer warteten im Auslauf der mächtigen Heini-Klopfer-Schanze. Freitag beschreibt den unspektakulären Moment: „Normalerweise stehst du unten und kannst mit den Masse genießen. So sitzt du oben im Vorbereitungsraum und bekommst gesagt: Du hast eine Medaille.“

Für Tande war dieser Moment trotzdem überwältigend. Der Norweger wollte es zunächst nicht glauben, dann schossen ihm Tränen in die Augen. „Ich habe ein paar Minuten gebraucht, bis ich begriffen habe, was passiert ist“, bekannte er. Als der Flugkünstler dann mit seinen Kollegen statt auf Skiern im Schrägaufzug wieder vom riesigen Bakken herunterkam, wartete bereits das komplette norwegische Betreuerteam auf den neuen Titelträger. Und wieder flossen Tränen. Bis zur Siegerehrung hatte er seine Gefühle wieder sortiert. Da zeigte der Mann aus der Nähe von Oslo wieder sein bekanntes strahlendes Lachen. Seine blauen Augen leuchteten. Daneben stand ein ebenso stolzer, grinsender Richard Freitag.

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