Rhodos in Zeiten der Finanzkrise: „Kaum Zeit für Proteste“
Wird in den Medien von der Finanzkrise in Griechenland berichtet, dann meist aus Athen, nicht von den Inseln. Hier hoffen die Einwohner auf den Tourismus.
Noch streichen in Rhodos nicht feierwütige Touristen, sondern nur die wilden Katzen durch die Straßen. In der im Sommer geschäftig brummenden Altstadt ist nur die Hälfte der Geschäfte geöffnet und nur ein paar verlorene erste Touristen schlendern durch die Straßen, in denen die Ladeninhaber und Hoteliers ihren Geschäften nach dem Winter eine neue Schicht Farbe verpassen.
Das gleiche Bild bietet sich am Hafen. An den Fähren zu den Nachbarinseln und den Motor- und Segelbooten wird Rost geklopft, geschliffen und lackiert. Rhodos bereitet sich auf die Urlaubssaison vor und wartet auf die Touristen.
„Letztes Jahr hat die Krise uns nicht getroffen, wir konnten 22 Prozent mehr Touristen in Rhodos begrüßen“ sagt Agapitos Xanthis. Xanthis arbeitet bei „Ethnikos Organismos Tourismou“ (EOT), der nationalen Tourismusorganisation als Direktor für den „Dodekanes“, dem südöstlichen Teil der Ägäis, in dem Rhodos liegt. Die staatlich kontrollierte Organisation fördert seit 60 Jahren den Tourismus in Griechenland.
Deswegen gibt sich Xanthis auch für diese Saison optimistisch und hofft „auf ein besseres Image unseres Landes in Europa". Auch Yiorgos Antalis hofft auf die Touristen, ist aber weniger optimistisch: „Ich schätze es werden 30 Prozent weniger Touristen kommen wegen der Krise. Meine Bekannten, die in Hotels arbeiten, sagen, dass die Buchungen schlechter sind dieses Jahr", sagt der Taxifahrer.
In diese Richtung weisen auch vorläufige Zahlen, die der Verband der griechischen Tourismusindustrie letzte Woche herausgegeben hat. Im ersten Quartal 2012 reisten durchschnittlich 8,8 Prozent weniger Touristen nach Griechenland als 2011.
Die Streikbrecher von Rhodos
„Hier auf den Inseln hoffen die Leute noch auf den Tourismus, hier haben sie noch etwas, auf das sie hoffen können. Hier gibt es keinen Protest wie in Athen. In Athen haben die Leute nichts zu verlieren“, sagt der Taxifahrer. Deswegen gebe es auf Rhodos trotz Finanzkrise, Lohnkürzungen und Umsatzeinbußen wenig Protest meint der Taxifahrer mit der Baskenmütze. „Den Flughafen und den Hafen lahmlegen, das ist nicht mein Stil, das schadet uns nur“, sagt er.
Doch letztes Jahr hat auch der wenig protestfreudige Taxifahrer gestreikt. Da wollte der Minister für Transport, Giannis Ragousis, das Taxigeschäft liberalisieren. Dann hätte jeder für 300 Euro ohne Ausbildung eine Lizenz bekommen und Taxi fahren können. Schon jetzt gebe es in Rhodos sieben Taxifahrer auf tausend Einwohner, betont Yiorgos: „Die höchste Quote in Europa“.
Auch die Taxifahrer in Rhodos und ihr Syndikat „Radio Taxis“ beteiligten sich damals am nationalen Taxifahrerstreik – für 20 Tage. „Aber Rhodos war die erste Insel die den Streik gebrochen hat", erzählt Yiorgos. Trotzdem sei er erfolgreich gewesen, weil das Gesetz erheblich modifiziert wurde.
Taxi fahren tut Yiorgos seit seiner Studienzeit jeden Sommer für fünf Monate. Im Winter arbeitet der 45-jährige, der in Kanada Archäologie, Anthropologie und Geschichte studiert hat, als Archäologe in Ausgrabungsstätten und bei der Restauration von historischen Gebäuden. „Ich nehme alles, was ich kriege“, sagt er. 800 Euro verdient er damit im Winter.
Im Sommer verdient er mit dem Taxi fahren mehr. Deswegen hat er nach dem Studium seinen Studentenjob als Taxifahrer nicht aufgegeben, sondern wartet dieser Tage am Flughafen von Rhodos auf Kundschaft: „Gestern habe ich stundenlang gewartet und nur einen Gast gefahren.“
Auch er spürt sie, die Krise. Die Lebensmittelpreise seien seit November um 20 Prozent gestiegen, sagt Yiorgos, seine Miete von 550 Euro und sein Gehalt dagegen nicht.
Im Winter gibt es hier nur Internet
Auch Fotios Rizopoulos wartet auf die Touristen. Der 28-Jährige steht vor einer kleinen Taverne in der Altstadt von Rhodos, seine halbe Familie sitzt neben ihm an zwei kleinen Tischen auf der gepflasterten kleinen Straße vor dem Lokal und trinkt Kaffee. Hin und wieder fährt ein Motorroller oder ein Auto direkt an den Tischen vorbei. Sonst ist es ruhig vor der Taverne. Wie in der übrigen Altstadt ist auch hier die Hälfte der Geschäfte noch geschlossen.
Die Taverne hat Fotios Familie erst letztes Jahr eröffnet. „Im Winter gibt es hier nur Internet, Fernsehen und die Familie", so fasst Fotios zusammen, was er die letzten Monate gemacht hat. Da Rhodos vom Tourismus lebt sind viele Arbeitsplätze auf der Insel saisonal.
Im Winter ist wie Fotios ein Großteil der Bevölkerung arbeitslos. Nun freut er sich schon auf den Sommer und darauf, dass Leben in die verschlafene Altstadt von Rhodos kommt.
„Im Sommer arbeiten wir sieben Tage die Woche 12-15 Stunden", sagt er. Neben der Arbeit im Lokal seiner Familie arbeitet er im Sommer in einem Hotel. Davor war er bei der Armee, hat deutsche Leopardpanzer gefahren und im „Casino Rhodos" gearbeitet.
Fliegende Orangen und Joghurtbecher
„Die Leute hier haben keine Zeit für Protest“, sagt Fotios. Trotzdem war er Anfang März mit dabei als während der alljährlichen offiziellen Feier der „Vereinigung“ des Dodekanes mit Griechenland 1947 Joghurtbecher und Orangen auf lokale Politiker, den Gouverneur des Dodekanes, und den griechischen Minister für Kultur und Tourismus, die an der Parade teilnehmen wollten, flogen.
„Prodotes“ (Verräter und Betrüger) und „Verlasst das Land“ riefen die aufgebrachten Inselbewohner.
Nach Tumulten mussten die anwesenden Politiker, die Parade verlassen, „ihrer Sicherheit wegen", berichtet Fotios. Ende März hätten dann 1.000 Polizisten die Parade zur Unabhängigkeit Griechenlands auf der Straße Evdomis Martou am Hafen in Rhodos geschützt erzählt Fotios.
„Sie haben Angst, die Politiker", sagt er. Der Krisen-Protest in Rhodos ist weniger spektakulär und verzweifelt, doch auch auf der Urlaubsinsel ist er da.
Das Luxussegement entwickelt sich gut
„Seit dem 18 März streiken die Reiseführer", erzählt der Kellner. Ihr Lohn sollte von 1.500 auf 800 Euro gekürzt werden. Zwei von drei Kreuzfahrtschiffen, die Rhodos ansteuern sollten, seien Anfang April wegen dem Streik ohne Stop in Rhodos zum nahegelegenen türkischen Urlaubsort Marmaris gefahren. „Das hat uns Umsatz gekostet, aber ich kann verstehen, dass sie streiken, was sollen sie sonst tun?", sagt Fotios.
„Das Geld kommt hier nicht aus den Fabriken sondern von außerhalb", so beschreibt Thassos Tsantilas die Inselökonomie. Der 52-jährige Grieche mit dem braun gebrannten, zerfurchten Gesicht und dem verschmitzten Grinsen hat keinen Grund zum Protest, sein Geschäft läuft. Der ehemalige Seemann und Skipper arbeitet als Base-Manager von „Kiricacoulis Yachting“ in der Marina Mandraki, dem Stadthafen von Rhodos.
In den letzten Wochen hat er die Segelboote, die er verwaltet von Athen nach Rhodos überführt. „Im Fernsehen sagen sie, dass dieses Jahr 10 bis 15 Prozent weniger Touristen kommen werden, aber ich bin mir da nicht sicher", sagt er nachdenklich. 25 Boote muss er während der Saison verwalten, reparieren, und an Charterkunden übergeben, in der Mehrheit an Deutsche.
Es trifft die Kleinen
Dann fährt der große Mann den ganzen Tag hektisch mit seinem kleinen Roller auf der Pier in der Marina Mandraki auf und ab. Auf der Pier herrscht dann ein Gewimmel von ankommenden und abreisenden Seglern. Doch im April liegen die meisten Yachten verschlossen da, und ein wenig sommerlicher Wind pfeift über die Marina.
„Die kleinen Geschäfte und Pensionen trifft die Krise härter", sagt Base-Manager Thassos. „Wegen der Krise wurden in den letzten Jahren viele Hotels in Rhodos geschlossen und nur wenige neu gebaut", gibt EOT-Mann Xanthis zu. Gleichzeitig hat sich offenbar vor allem das Luxus-Segement des Marktes gut entwickelt: „In den letzten Jahren gab es einen Anstieg der Vier- und Fünf-Sterne Hotels in Rhodos", sagt der Direktor der Tourismus-Organisation für den Dodekanes.
Auch für wohlhabende Segler und Motoryachten ist Rhodos immer noch ein Topziel. Aktuell wird in Rhodos eine neue Marina mit 500 neuen Plätzen für Yachten gebaut.
„Wegen der großen Nachfrage“, sagt Xanthis. Die wird vermutlich dafür sorgen, dass zumindest Base-Manager Thassos auch in Zukunft genug zu tun hat.
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